Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
kleinen Lächeln.
»Seltsam, das Gleiche könnte ich über Euch sagen«, erwiderte Tiji mit einem verschmitzten Grinsen, aber bevor Arkady fragen konnte, was sie damit meinte, kam die Kutsche in der Einfahrt des kaiserlichen Serails mit einem Ruck zum Stillstand.
Arkady ließ den Schleier wieder über sich fallen, denn schon wurde von außen die Tür geöffnet, noch ehe sie den Türsteher an der Ausübung seiner Pflichten hindern konnte. Aber als sie sich zu Tiji umdrehte, um ihr zu signalisieren, dass sie schleunigst in Tarnung gehen sollte, war die kleine Crasii verschwunden. Nur eine fast unmerkliche Mulde im Sitzpolster deutete darauf hin, wo sie noch vor wenigen Augenblicken gut sichtbar gesessen hatte. Im nächsten Moment war auch die Mulde verschwunden. Arkady holte tief Luft, reichte dem Türsteher ihre verhüllte Hand und stieg aus der Kutsche.
»Arkady! Endlich seid Ihr da. Was haltet Ihr von diesen hier?«
Nachdem sie sich aus ihrem Schleier geschält und ihn Nitta gereicht hatte, durchquerte Arkady die große Halle und gesellte sich zu Chintara. Die kaiserliche Gemahlin stand neben den Speiseliegen und begutachtete einige Stoffballen, die zu diesem Zweck auf den Sofas ausgebreitet waren. Es mussten etwa ein Dutzend sein, ausnahmslos hauchdünne, teure, nahezu durchsichtige Seidenstoffe, exquisit gefärbt, einige geometrisch gemustert, andere mit zierlichen Blumenmotiven aus eingewirkten Goldfaden.
»Sie sind wunderschön«, sagte Arkady und bückte sich, um sie genauer zu betrachten. »Wofür sind sie gedacht?«
»Ich lasse mir für einen ganz besonderen Anlass ein Kleid machen. Der goldene gefallt mir, aber vielleicht passt der blaue besser zu meinem Teint und meiner Haarfarbe, was meint Ihr? Oder doch lieber der Weinrote da?«
Arkady zögerte mit ihrer Antwort. Sie erinnerte sich, wie Cayal einmal gesagt hatte, Kinta sei eine Frau, die sich am liebsten in Leder kleidete. Die zarten Stoffe, die da vor ihnen ausgebreitet lagen, wollten so gar nicht zu dem Geschmack einer Kriegerin passen. Vielleicht täuschte sich Declan in Bezug auf Chintara. Vielleicht war sie doch keine Unsterbliche. Vielleicht war sie einfach nur blond, schön und athletisch und interessierte sich für Gezeitenfürstenkunde.
Was ja immerhin auch auf Arkady zutraf - von der Haarfarbe abgesehen.
»Was denn für einen Anlass?«, fragte Arkady und widerstand der Versuchung, sich umzusehen, ob Tiji es mit nach drinnen geschafft hatte.
»Ich treffe mich mit einem alten ... Bekannten. Und ich möchte einen guten Eindruck machen.«
»Das werdet Ihr ganz ohne Zweifel, Mylady«, versicherte sie der kaiserlichen Gemahlin.
Chintara schien sich da weniger sicher. »Wir haben einander sehr lange nicht gesehen, und das letzte Mal sind wir nicht als Freunde auseinandergegangen. Ich möchte, dass alles perfekt ist, wenn wir unsere Bekanntschaft erneuern.«
»Was habt Ihr beim letzten Mal getragen, als Ihr ihn gesehen habt?«
Einen Augenblick lang schwieg Chintara, dann sah sie Arkady an und schüttelte den Kopf. »Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt etwas anhatte.«
Arkady lächelte. »Dann war dieses letzte Treffen nicht hier in Torlenien.«
Die kaiserliche Gemahlin runzelte die Stirn. »Warum sagt Ihr das?«
»Die torlenischen Bekleidungsvorschriften machen solche Situationen doch praktisch unmöglich.«
»Ihr seid doch wirklich ein schlaues Köpfchen, was?«
»Es ist eine recht logische Schlussfolgerung, Mylady.«
»Und doch wären die meisten Frauen nicht daraufgekommen - weil sie zu sehr damit beschäftigt wären, mich moralisch zu verurteilen. Aber Ihr habt recht. Es war nicht hier. Es war ... woanders.«
»An einem Ort mit weniger strengen Bekleidungsvorschriften?«
Chintara gestattete sich ein kleines Lächeln. »Mit sehr viel weniger strengen Bekleidungsvorschriften.«
»Dann möchte ich wetten, dass Euer Freund jemand ist, den Ihr vor Eurer Ehe mit dem Kaiser kanntet«, sagte Arkady. Ob sie Chintara wohl ein Zugeständnis über ihre wahre Identität entlocken konnte?
Seid Ihr wirklich eine Unsterbliche, Mylady?
Aber ja doch, Arkady, ich bin eine Unsterbliche, die sich hier im kaiserlichen Palast versteckt hält und darauf wartet, dass ihr Herr und Meister zurückkehrt...
»Oh, Gezeiten noch mal!«
»Bitte?« Chintara schien etwas pikiert, Arkady fluchen zu hören. Das kannte sie gar nicht von ihr.
»Es tut mir so leid, Euer Hoheit«, erwiderte sie hastig und versuchte schnell einen Grund für ihren Ausrutscher
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