Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 2 - Die Goetter von Amyrantha
kümmern, was mit den Crasii geschah, weil alle Welt sich um die Rettung von König und Königin sorgte - aber da lag plötzlich Bridgemans Hand wie ein Schraubstock auf seinem Arm.
»Du kannst nichts tun!«, schrie er.
Warlock fühlte sich elend vor Hilflosigkeit, doch er wusste, der alte Erste Spion hatte recht. Er warf einen Blick zurück zum Palast. Auf dem Balkon konnte er im sintflutartigen Regen gerade noch Jaxyns einsame Gestalt ausmachen, der ruhig zusah, wie das Drama der königlichen Barke seinen Lauf nahm. Von Prinz Mathu keine Spur. Vielleicht war er schon auf dem Weg hinunter, schließlich befanden sich seine Gemahlin und seine Eltern auf diesem Schiff.
Das neuerliche ohrenbetäubende Krachen splitternden Holzes lenkte Warlock einen Augenblick von den Klagelauten der sterbenden Amphiden ab. Wieder hatten die Wellen die Barke gegen den Steg gerammt und weitere Crasii zerschmettert, und dieses Mal brach der Schiffsrumpf.
»Wir müssen irgendetwas tun!«, rief Warlock Daly Bridgeman zu und versuchte den Klammergriff des Alten abzuschütteln. »Er bringt sie doch um!«
»Darum brauchen wir dich hier!«, entgegnete der alte Mann. Und dann zeigte er auf den Balkon und ließ Warlock mit dieser einen Geste wissen, dass er wie Declan Hawkes viel mehr war als nur der Erste Spion des Königs. »Wenn der König das nicht überlebt, sind wir in großen Schwierigkeiten, Cecil, und die Bruderschaft braucht dich mehr denn je!«
Der kalte Pragmatismus des alten Mannes war zu viel für Warlock. Er riss sich von Daly Bridgeman los und stürzte auf den geborstenen Anlegesteg zu, um bei der Bergung der Verwundeten aus dem Wasser zu helfen. Unbarmherzig prasselte der Regen hernieder. Jetzt bekamen die verzweifelten Retter am Ufer Verstärkung, denn Prinz Mathu war mit einem Gefolge von einem Dutzend Palastwachen eingetroffen, um zu helfen, wo es nur ging.
Doch auch dieser Rettungstrupp konnte wenig tun außer hie und da eine Leiche aus dem See zu ziehen und dabei möglichst der steuerlosen, schweren Barke auszuweichen, die wieder und wieder mit Wucht den zersplitterten Landungssteg rammte.
Als sich etliche Stunden später das Unwetter endlich verzogen hatte, lagen siebenunddreißig Tote auf dem grasbewachsenen Ufer des Unteren Oran. Unter ihnen befanden sich König Enteny und Königin Inala. Sieben weitere Besatzungsmitglieder, zwei Menschen und fünf Amphiden wurden vermisst. Und auch Kronprinzessin Kylia fehlte.
26
»Wenn du einen Unsterblichen töten willst, musst du das Problem an der Wurzel packen«, erklärte Lukys Cayal.
Verblüfft sah der jüngere Mann den Gezeitenfürsten an. Sie waren in die Wüste hinausgegangen, um ungestört zu sein. Die Sonne näherte sich ihrem Zenit, und vor ihnen erstreckte sich der Sand wie ein endloses goldenes Meer. Cayal saß oben auf der Kuppe einer Düne und versuchte sich zu erinnern, wie dieser Ort ausgesehen hatte, bevor er ihm sein Meer geraubt hatte, aber es wollte ihm nicht recht gelingen. Vielleicht war die Erinnerung auch zu beschämend.
Er gab es auf und wandte seine Aufmerksamkeit Lukys zu, der neben ihm im Sand saß. »Wovon redest du da?«
»Ich meine, dass wir nicht getötet werden können, liegt daran, dass wir bis in die winzigste Pore unserer magisch veränderten Körper darauf ausgerichtet sind, flugs zu heilen. Das macht letztlich die Unsterblichkeit aus, weißt du, das ist schon alles. Unsere Körper werden sich endlos regenerieren, und wenn sie es mal nicht schaffen, warten sie einfach ab, bis die Umgebung, in der sie sich befinden, dem Heilungsprozess wieder zuträglicher ist, und regenerieren sich dann.«
»Darum konnte Kentravyon auch so lange eingefroren bleiben«, schlussfolgerte Cayal, als ihm aufging, was Lukys meinte. Eigentlich interessierte ihn das Thema gerade gar nicht sonderlich, aber lange Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass es töricht war, nicht die Ohren aufzusperren, wenn Lukys in Vortragslaune war.
»Genau«, meinte der Ältere, sichtlich zufrieden mit seinem aufmerksamen Schüler. »Kentravyon ist nicht tot, aber weil sein Körper eingefroren ist, kann er auch nicht heilen.«
»Und wenn wir ihn auftauen?«
Lukys zuckte die Schultern. »Ich schätze, innerhalb von ein oder zwei Stunden dürfte es ihm wieder blendend gehen.« Lukys lächelte. »Er wäre höchstwahrscheinlich stinksauer, aber körperlich wieder ganz der Alte.«
Cayal nickte zustimmend. Ziemlich genau das hatte er immer vermutet. »Dann sollten wir ihn lieber
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