Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
sie, PortTraeker zu erreichen. Reichlich Zeit für sie, um einen Weg fort aus Senestra zu finden. Reichlich Zeit, um irgendwohin abzutauchen, wo kein Unsterblicher, selbst mit magischen Kräften, sie finden konnte.
Izzy und Lenor, die beiden Amphiden, die Tenika damals von der Delta-Siedlung in Sicherheit gebracht hatten, boten ihr an, sie nach Port Traeker zu bringen. Nachdem sie sich einmal entschieden hatte, unternahm Ambria keinen Versuch, sie an ihrem Weggang zu hindern, auch nicht als Arkady versuchte, Jojo dazu zu bringen, mit ihr zu kommen. Doch die Felide lehnte ab, sie zog es vor, auf dem Außenposten zu bleiben und auf die Rückkehr der anderen zu warten. Sie hatte Unsterbliche gefunden, denen sie dienen konnte. Sie würde sie nicht freiwillig verlassen, es sei denn, einer von ihnen befahl es ihr.
Abgesehen von ihrem Gespräch in der Küche und ihrer steifen Darreichung der Perlen sagte Ambria wenig zu ihrer Entscheidung zu gehen. Arkady war ziemlich sicher, dass die Unsterbliche ganz froh war, diese Unruhestifterin von hinten zu sehen.
Die Reise nach PortTraeker verlief ereignislos, so dass Arkady Muße hatte, sich zu fragen, ob sie das Richtige tat. Ein Teil von ihr sehnte sich danach, wieder mit Declan zusammen zu sein, aber das Gefühl des Verrats, das sie immer noch hatte, war abgrundtief. Es zerriss ihr das Herz, zu erkennen, dass die Unsterblichkeit Declan genauso käuflich gemacht hatte wie seine Gezeitenfürsten-Sippschaft. Sie hatte ihm vertraut und gedacht, dass er sie wollte, weil er sie liebte, nicht weil er eine bequeme Triebabfuhr brauchte, wenn er mit den Gezeiten gespielt hatte. Im Nachhinein ergaben auch seine Stimmungsumschwünge Sinn. Im einen Augenblick hatte er sie verstoßen, weil er glaubte, sie verhielte sich wie eine Hure, im nächsten hatte er ihr verziehen und versprochen, die Vergangenheit zu vergessen.
Nachdem er die Gezeiten berührt hatte. Nachdem er entdeckt hatte, was das mit ihm machte.
Wenn Arkady sich wie eine Hure verhielt, war das nämlich genau das, was er brauchte.
Er war nicht besser als Cayal. Nicht besser als Jaxyn.
Im Grunde ist er noch schlimmer, entschied Arkady bitter. Jaxyn und Cayal wissen wenigstens, dass sie Schufte sind. Gezeiten, sie sind geradezu stolz darauf.
Aber Declan … Declan denkt, er sei immer noch einer von uns. Bildet sich ein, dass es einen noblen Grund für sein Handeln gibt …
»Und was passiert dann, wenn man alle Macht der Welt erlangt?«, hatte sie ihn gefragt, als sie Kinder waren.
»Keine Ahnung. Ich denke mir aber, es könnte ganz lustig sein, das rauszufinden …«
Die Erinnerung brannte wie Säure. Und Arkady hatte jetzt ihre Antwort.
Die Klinik in Port Traeker, wo Cydne tätig gewesen war, war noch ganz, wie Arkady sie in Erinnerung hatte. Sie wäre nicht hierhergekommen, hätte sie einen anderen Zufluchtsort gewusst, aber der Einzige, der hier in Port Traeker noch am ehesten ein Freund war, das war der Sklave Geriko. Vielleicht verriet er sie in dem Moment, wo er sie sah, oder aber er konnte ihr helfen. Geriko kannte Leute. Er kannte Leute, die vielleicht den besten Ort wussten, um die Perlen zu verkaufen. Wenn sie richtig Glück hatte, würde er sie nicht gleich anzeigen, um sie als entlaufene Sklavin in Gewahrsam nehmen zu lassen.
Natürlich hing dies alles an der Voraussetzung, dass Geriko überhaupt noch in der Klinik war. Dass Cydne nicht längst durch einen neuen Arzt der Gilde ersetzt worden war, der die Sklaven von Medura zurück zur Familie geschickt und seine eigenen Leute in der Klinik untergebracht hatte.
Diese Befürchtung erwies sich als grundlos. Als sie einige Stunden nach Sonnenuntergang an die Tür der Klinik klopfte, öffnete ihr nach einigen Minuten ein Geriko mit verschlafenen Augen.
»Kady?«, rief er überrascht aus, als er begriff, wer da auf der Türschwelle stand. »Was machst du denn hier? Ohne deine Kluft?«
»Kann ich reinkommen, Geriko?«
»Klar!« Er trat einen Schritt zurück, um sie hereinzulassen, und spähte die dunkle Straße hoch und runter, ehe er die Tür hinter ihr verriegelte. »Gezeiten, du bist ja jetzt ’ne berühmte Frau.«
Mit verwunderter Miene zog sie den Schal von ihrem Kopf. Als Tarnung war er zwar nicht besonders effektiv, aber er gab ihr die Illusion, verborgen zu sein. »Wovon redest du?«
»Hast du Hunger?«
»Und wie! Was meinst du damit, Geriko? Warum bin ich berühmt?«
»Komm schon«, sagte er und nahm die Lampe vom Seitentisch an der Tür. »Lass
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