Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 3 - Der Palast der verlorenen Traeume
fragte sich, ob die Suzerain log. Er schien ihr zu glauben, aber es war nicht klar, ob unter Zwang oder weil er ihr aus freien Stücken vertraute. Sie saßen am Tisch in Ambrias Küche hinter der Werkstatt, wo sie augenscheinlich Perlmutt aus den hiesigen Süßwassermuscheln gewannen. Die Küche war sauber und anheimelnd und, was Tiji am verstörendsten fand, ausgesprochen normal. Glänzende Kupfertöpfe hingen von den Decke, dazwischen Bündel von Kräutern, Würste und in Tücher gewickelte Pasteten. Der große Tisch war in Jahren des Gebrauchs fast weiß geschrubbt, und das sanfte Summen der Fliegen schwebte über der Fensterbank.
Es schien unmöglich, dass dies die Behausung einer Suzerain sein sollte.
»Ist Lady Arryl nicht in der Lage, die Kranken zu heilen?«, fragte Azquil und nahm ebenfalls eine Schüssel von der delikaten Fischsuppe entgegen.
Ambria wiegte den Kopf. »Die Gezeiten wechseln gerade erst. Medwen hilft ihr natürlich, aber es gibt eine Grenze dafür, wie viel sie tun können. Ich fürchte, ihr müsst hierbleiben, bis die Gefahr gebannt ist.«
»Also Ihr seid diese Trinität, von der Azquil spricht? Ihr, Arryl und Medwen?«
Ambria nickte. »Auch wenn wir uns diesen Titel nicht selbst ausgedacht haben. Jetzt, wo du mich fragst, weiß ich gar nicht mehr genau, wie das angefangen hat.«
»Wie lange seid Ihr schon hier?«
Azquils Löffel erstarrte auf halbem Wege zu seinem Mund. »Tiji, du solltest nicht –«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Ambria. »Es macht mir nichts aus, Tijis Fragen zu beantworten. Ich bin sicher, sie hat noch viele. Wir haben einen Großteil der letzten siebenhundert Jahre hier verbracht.«
Tiji warf einen Rundblick über den baufälligen Außenposten. »Genug Zeit, um mal zu renovieren, meinst du nicht?«
Ambria lächelte. »Wir sind nicht alle am Bau von Palästen interessiert, Tiji. Wir haben eine Abmachung von gegenseitigem Nutzen mit unseren Gastgebern. Wir beschützen die Chamäliden vor dem Rest unserer Art, und sie gewähren uns Zuflucht vor den Menschen, die nicht verstehen, was es bedeutet, unsterblich zu sein. Wir sammeln Perlmutt und fertigen daraus Knöpfe, Perlen und anderen Schmuck. Und wir gewinnen das Fett der Süßwassermuscheln und machen daraus eine sehr wirksame Sonnencreme, die ein Verkaufsschlager in Port Traeker geworden ist. Wir treiben Handel, wir verdienen unseren Unterhalt, und wir helfen den Crasii. Im Gegenzug erlauben sie uns, hier in Frieden zu leben, ohne alle paar Jahre verschwinden zu müssen und uns irgendwo neu anzusiedeln, wo der Umstand, dass wir nicht altern, früher oder später Anstoß erregt.«
»Aber jetzt steigen die Gezeiten«, erwiderte Tiji und riskierte einen Löffel von der Suppe. Sie schien nicht vergiftet. Tatsächlich schmeckte sie noch viel köstlicher, als sie roch. Durch einen Mundvoll Fisch fügte sie hinzu: »Das ändert alle Regeln.«
Die Suzerain nickte. »Ich fürchte das auch, aber wir haben das bis jetzt noch nicht besprochen. Weder untereinander noch mit den Crasii-Ältesten.«
»Ihr wisst, dass Ihr hier immer willkommen seid, Mylady.«
»Danke, Azquil«, antwortete sie mit einem Lächeln. »Wir wollen auch nicht weggehen, aber vielleicht haben wir keine Wahl. Dieser ekelhafte Gestank, den du – wie alle Arks – mit meiner Art verbindest, wird immer schlimmer werdende höher die Gezeiten steigen.«
Tiji schluckte noch einen Löffel Suppe und wandte sich an Azquil. »Macht der Gestank dich nicht fertig? Oder bist du ein braver Crasii, der über seine Schuppen stolpert, um einem Suzerain zu gefallen?«
Ambria antwortete, bevor Azquil dazu kam. »Hier in den Feuchtgebieten sind alle verbliebenen Chamäliden Arks, Tiji. Wir sind Gäste ihres Wohlwollens und würden sofort gehen, wenn sie uns darum bitten.«
»Ihr vergebt mir, wenn ich euch nicht glaube, Mylady, aber das klingt mir alles ein bisschen zu glatt. Es ist nicht so, dass ich das Essen nicht zu schätzen wüsste, aber nach meiner Erfahrung sind die Suzerain normalerweise nicht so zuvorkommend.«
»Nach deiner Erfahrung?«, fragte Ambria. »Wie vielen Unsterblichen bist du schon begegnet, Tiji?«
Tiji spreizte ihre Hand und begann mit dem Löffel an den Fingern abzuzählen. »Cayal, Brynden, Kinta – wobei wir uns nicht im eigentlichen Sinn kennen gelernt haben, ich war nur mit ihr im selben Raum –, dann Jaxyn, Syrolee, Elyssa, Tryan – der übrigens gedroht hat, mich zu töten …«
Azquil sah verblüfft aus. »Ernsthaft? Du
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