Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
bist, Boots. Und was das bedeutet. Ich habe im letzten Jahr ziemlich viele Unsterbliche getroffen. Allmählich entwickle ich mich zur Expertin auf diesem Gebiet.«
Boots wirkte äußerst besorgt über diese Eröffnung. »Seid Ihr deshalb im Wald unterwegs? Ihr seid auf der Flucht vor den Unsterblichen?«
»Auf der Flucht vor den Unsterblichen und auf der Suche nach Stellan«, sagte Arkady. »Ich hätte nicht gedacht, dass es so leicht sein würde.«
»Ist es auch nicht«, sagte Boots. »Ich will Euch keine falschen Hoffnungen machen, Euer Gnaden. Vielleicht sehe ich den Fürsten nie wieder. Und ich habe nicht vor zu warten, bis er wiederkommt. Sobald der See taut, suche ich mir ein Boot, schnappe meine Kleinen, und dann nichts wie heim nach Glaeba.«
Arkady konnte verstehen, dass Boots so wild entschlossen war, von hier zu verschwinden. Sie zog ihre durchgeweichten Schuhe und Strümpfe aus und begann ihre kältestarren Zehen zu massieren, ein wenig überrascht, dass noch keine Anzeichen von Frostbeulen zu sehen waren. »Wenigstens weiß ich jetzt, dass Stellan am Leben ist. Gibt es irgendeine Möglichkeit, ihm eine Nachricht zukommen zu lassen?«
Boots schüttelte den Kopf. »Da müsstet Ihr schon selbst nach Cycrane und sie persönlich überbringen.«
Arkady untersuchte ihre blassen, eisigen und blasenübersäten Füße und runzelte die Stirn. »Die nächsten paar Tage werde ich wohl nirgends hingehen.« Dann sah sie zu Boots auf und lächelte entschuldigend. »Tut mir leid, Boots. Ich gehe einfach davon aus, dass du mich hierbleiben lässt, dabei habe ich dich gar nicht gefragt. Wenn du möchtest, mache ich mich morgen wieder auf den Weg. Ich habe nicht vor, dich oder deine Kleinen in Gefahr zu bringen, und um ehrlich zu sein, wird vielleicht genau das passieren, wenn Jaxyn mich suchen kommt.«
»Ihr könnt bleiben, bis Ihr Euch so weit erholt habt, dass Ihr weiterkönnt, Euer Gnaden«, sagte Boots und legte Missy an die andere Brust, denn die Kleine war ein wenig unruhig geworden. »Aber wenn Euch Suzerain auf den Fersen sind, wäre es mir lieb, wenn Ihr sie nicht hierherfuhren würdet.«
Arkady nickte. Sie wollte der Ark eben versichern, dass sie sie und ihre Familie nicht mutwillig in Gefahr bringen würde, als der Boden so heftig zu beben begann, dass ein Teil der von Boots so sorgfältig errichteten Barrikade vor dem Durchgang zum tiefer gelegenen Geschoss in den dunklen Treppenschacht stürzte. Die kleinen Caniden reagierten entsetzt auf das Beben, auch die beiden schlafenden Welpen schraken hoch und brachen vor Schreck sofort in Tränen aus.
Und dann, nach wenigen Augenblicken, hörte das Beben so unerwartet auf, wie es begonnen hatte.
»Gezeiten! Was war das?«, fragte Arkady. »Ob das mit der Schlacht zu tun hat? Was meinst du?«
»Das kam nicht von der Schlacht«, sagte Boots und drückte angstvoll ihre Kleinen an sich. »Ich glaube, da hat jemand Gezeitenmagie eingesetzt.«
»Wozu?«
»Keine Ahnung.« Die Crasii leckte sanft ihre Welpen, um sie zu beruhigen. »Aber das war was Großes.«
Mit einer so vagen Antwort gab Arkady sich nicht zufrieden.
»Ich gehe raus und sehe nach, ob von hier aus was zu erkennen ist.« Sie griff nach ihren durchweichten Schuhen, doch die Canide sah auf und schüttelte den Kopf.
»Bleibt hier, Mylady«, sagte sie. »Esst erst mal was und geht erst raus, wenn es draußen ganz dunkel geworden ist. In diese Schuhe kommt ihr sowieso nicht wieder rein, bis sie nicht etwas getrocknet sind.«
Arkady sah ein, dass die Crasii recht hatte. »Gut, dann eben später«, stimmte sie zu. »Wenn es vollends dunkel ist.«
Als Missy wieder bei den beiden anderen Welpen schlief und die beiden Erwachsenen etwas gegessen hatten, machte Arkady erneut einen Versuch, ihre Schuhe anzuziehen. Der Wassereimer musste gefüllt werden, und dieses Beben vorhin hatte sie beunruhigt. Sie fragte sich, ob es in der näheren Umgebung zu Schäden geführt hatte.
Arkady hatte ziemlich Mühe, ihre immer noch feuchten Schuhe über ihre schmerzenden Füße zu ziehen, aber dann rappelte sie sich entschlossen hoch, schnappte sich den Wassereimer, den Boots am Feuer stehen hatte, und humpelte mit vor Schmerzen fest zusammengebissenen Zähnen los, vorbei am ledernen Türvorhang, die steinernen Stufen hinauf, durch die dunkle Tempelruine und in die Nacht hinaus.
Zitternd in der stillen, eiskalten Luft ließ sie den Eimer vorerst auf der Treppe stehen. Sie würde ihn auf dem Rückweg mit Schnee
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