Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
unter ihrem Gartenschuppen zu begraben oder etwas in dieser Art. »Es hat sich herausgestellt, dass ich nicht nur eine unsterbliche Urgroßmutter habe. Mein Vater ist ebenfalls ein Unsterblicher.«
»Wisst Ihr, welcher?«
»Lukys behauptet, er sei der Verantwortliche«, sagte Declan und beobachtete sie scharf, um zu sehen, wie sie auf seine nächste Eröffnung reagierte. »Wobei Ihr ihn wohl besser unter dem Namen Ryda Tarek kennt.«
Tilly schwieg für eine ziemlich lange Zeit. Schließlich schüttelte sie mit einem schweren Seufzer den Kopf. »Wisst Ihr was, ich hab mir wegen ihm schon öfter Gedanken gemacht. Er schien oft so viel mehr zu wissen, als er eigentlich sollte. Aber meine Arks haben mir immer versichert, er sei wirklich ein Mensch …«
»Eure Arks sind keine Arks, Tilly. Sie sind höchstens ungewöhnlich störrische Crasii. Er wird ihnen befohlen haben, Euch zu sagen, was Ihr hören solltet. Für künftige Fälle könnt Ihr Euch Folgendes merken: Ein echter Ark muss würgen von unserem Gestank.«
»Wann ist es passiert?«
»Bei dem Brand, der den Kerker von Herino zerstört hat.«
»Darum also wart Ihr so lange verschwunden?«
Er nickte, diese Frage bedurfte wohl kaum einer Antwort.
»Also wart Ihr schon … so …«, offenbar konnte sie sich nicht dazu durchringen, das Wort unsterblich auszusprechen, »als Ihr Euch mit Aleki in Clydens Gasthaus getroffen und ihm erzählt habt, dass Ihr nach Torlenien wollt, um Arkady zu suchen?«
Er nickte. Auch dies schien eine rhetorische Frage zu sein.
»Habt Ihr sie gefunden?«
»Am Ende schon.«
»Aber Ihr habt es nicht für nötig befunden, sie vor Jaxyn Aranville zu retten, wie ich feststelle.« Tilly war offenkundig sauer auf ihn, und nicht nur, weil er unsterblich geworden war.
»Was glaubt Ihr, warum ich zurückgekommen bin, Tilly?«
»Also falls es war, um Arkady zu retten, kommt Ihr ein bisschen spät, alter Freund. Sie war als Jaxyns Gefangene gestern draußen auf dem Eis, als … Gezeiten, habt Ihr etwas damit zu tun?«
Declan schüttelte den Kopf. »Das war Cayal. Mithilfe von Kentravyon und Elyssa.«
Tilly erbleichte im Lampenlicht. Arkadys Tod war augenscheinlich weit weniger bemerkenswert als die Nachricht, dass ein wahnsinniger Gezeitenfürst von der Leine war. »Kentravyon ist hier?«
»Nicht hier – aber in Caelum.«
»Und, habt Ihr nun die Freiheit, mir mitzuteilen, was Eure neuen unsterblichen Freunde als Nächstes im Schilde fuhren, oder seid Ihr nur hergekommen, um Euch mit ihrer Bekanntschaft zu brüsten?«
»Das ist ungerecht, Tilly.«
»Das ganze Leben ist ungerecht, wie ich feststellen musste«, sagte sie, rieb sich die Schläfen und schloss kurz die Augen. Als sie sie wieder öffnete, waren sie zu Declans Überraschung voller Tränen. »Gezeiten, Declan. Ich kenne dich, seit du ein kleiner Junge warst. Ich hab dich aufwachsen sehen. Ich habe dich gefordert. Ich habe mir sogar Hoffnungen gemacht, dass du eines Tages der Hüter der heiligen Überlieferung wirst. Dass du derjenige sein könntest, dem das gelingt, woran Generationen gescheitert sind: die Gezeitenfürsten zur Strecke zu bringen. Und nun sieh dich an. Sitzt mir in meinem Salon gegenüber – und bist einer von ihnen. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Ihr glaubt, ich habe das absichtlich getan?«
»Nein«, gab sie zu und erhob sich. Sie begann vor dem Feuer auf und ab zu gehen, die Arme in der kalten Nachtluft um die Brust geschlungen, da die aschebedeckte Glut kaum noch wärmte.
Er wartete schweigend darauf, dass sie die Neuigkeiten verdaute. Er wusste, dass sie damit beinahe ebenso viel Mühe haben musste wie er selbst.
Nach einiger Zeit sah Tilly ihn an. »Wie fühlt sich das an?«
Er brauchte nicht zu fragen, was mit das gemeint war. »Ich bin nicht sicher, ob ich das Gefühl beschreiben kann, Tilly. Ich kann die ganze Zeit die Gezeiten spüren. Und ich kann die anderen darin wahrnehmen, wenn sie in der Nähe sind.« Er wollte das wirklich nicht genauer ausführen. Das wilde Rauschen des Blutes, wenn er die Macht der Gezeiten handhabte, die irre Erregung dabei, dann das quälende Verlangen, danach irgendwie die Spannung abzubauen – das waren Details, von denen sie nichts wissen musste.
»Kannst du die Gezeiten auch lenken?«
Declan zögerte, nicht sicher, ob er diese Frage beantworten sollte. Er hatte quasi die Bruderschaft betrogen, indem er zum Unsterblichen wurde. Nun auch noch zuzugeben, dass er ein voll befähigter Gezeitenfürst
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