Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
Wunden zu lecken und seinen Gegenangriff zu planen.
Declan hielt sich nicht mit der Frage auf, ob Jaxyn plante, das in Glaeba einmal gewonnene Terrain zurückzuerobern, oder ob er klein beigeben und den Kontinent der Kaiserin der fünf Reiche und ihrer Familie überlassen wollte, um sich nach etwas anderem umzusehen. Brynden beanspruchte ja Torlenien für sich, aber Tenatien war wohl noch frei, und auch das Vereinigte Königreich von Elenovien schien reif, gepflückt zu werden.
Wobei der Fürst der Askese in Senestra besser aufgehoben wäre. Dort gab es immerhin Sekten – darunter ein mächtiger Kult –, die ihn anbeteten. Ein Gott konnte es schlechter treffen, als sich inmitten seiner gläubigen Gemeinde niederzulassen.
Es war Vormittag, als Declan die Tore des Palasts von Lebec erreichte. Er kam zu Fuß und hatte den Marsch von der Stadt bis hierher genutzt, um sich darüber klar zu werden, wie er die Situation handhaben wollte.
Declan hatte es gründlich satt zu erklären, wie er unsterblich geworden war. Das war einer der Gründe, warum er sich nach der Schlacht in Cycrane nicht lange aufgehalten hatte. Er war es so leid, jedes Mal denselben Monolog herunterzuleiern, wenn er den nächsten Unsterblichen traf, und in Caelum gab es eine ganze Menge davon.
Sollten doch Kentravyon und Cayal das mit dem neuen Gezeitenfürsten erklären. Declan hatte Wichtigeres zu tun.
Damit verblieben Jaxyn und seine Gefolgschaft als die letzten Unsterblichen, die über den Neuzugang in ihren Rängen informiert werden mussten. Wenn er wollte, dass sie ihn anhörten, ganz zu schweigen von ihrer Mitwirkung beim Aufhalten von Lukys, musste er zunächst ihre ungeteilte Aufmerksamkeit gewinnen. Und dann galt es, die Dinge auf eine Art zu erklären, die nicht in totale Verwüstung im Umkreis von mindestens fünf Meilen mündete.
Doch erst die Crasii-Schildwache am Haupttor brachte ihn auf die beste Lösung. Ungeachtet ihres Befehls, jeden zu töten, der die Straße hochkam, fielen die Feliden bei seinem Auftauchen auf die Knie und versichertem dem unsterblichen Neuankömmling, dass sie nur atmeten, um ihm zu dienen.
Unverzüglich verwarf Declan seinen ursprünglichen Plan. Nachdem ihm Zutritt zum Anwesen gewährt wurde, wanderte er in Richtung der Zwinger, wo die verbliebenen Arbeiter und Bediensteten untergebracht waren, und nicht zum Fürstenpalast, wo Jaxyn und die anderen sich verkrochen hatten. Er machte einen Umweg, um möglichst Abstand zum Palast zu halten, damit die anderen Unsterblichen seine Gegenwart nicht oder wenigstens nicht deutlich bemerkten. Declan verließ sich kurzerhand darauf, dass sie ihn nicht eindeutig spüren würden, solange er sie kaum wahrnahm, und erreichte so außen herum das Crasii-Dorf.
Wie erwartet kam Fletch, den Stellan seinerzeit als Oberhaupt über das Crasii-Dorf eingesetzt hatte, ihm entgegen. Der alte Canide fiel demütig vor ihm auf die Knie. Declan hieß ihn aufstehen, erklärte ihm, was er wollte, und bat sich absolutes Stillschweigen von allen Crasii in der Umgebung aus.
Es gab jede Menge Amphiden in den Bassins am Ufer des Sees, aber von den Feliden waren nicht mehr viele übrig. Die meisten waren draußen auf dem See gewesen, als das Eis brach. Doch die Männchen waren alle noch da, in ihren Käfigen eingesperrt. Wie immer bei Feliden wirkten sie weit weniger menschenähnlich als ihre gewöhnlich viel zahlreicheren weiblichen Artgenossinnen. Declan befreite die beiden jüngeren Kater, befahl ihnen, sich zu benehmen, wenn sie zu den anderen stießen, und begab sich dann über den Platz zu Taryx Gehege.
Mit der aufgehenden Sonne war das Wetter milder geworden, der schneidende Wind der Morgendämmerung war fast vollständig abgeebbt. Vereinzelte Sonnenstrahlen brachen durch die Wolken und beschienen einige wenige ausgewählte Plätze. Kiner davon war freundlicherweise genau das zerfledderte alte Sofa, wo Taryx seit jeher am liebsten döste.
Das alte Felidenmännchen sonnte sich, als Declan ihn entdeckte. Wachsam sah er zu, wie der Gezeitenfürst näher kam, rührte sich aber nicht vom Fleck. Declan blieb außerhalb des Käfigs stehen und betrachtete den prächtigen Zuchtkater, der ruhig da lag, in selbstgefälliger Haltung seine Genitalien präsentierte und so aufsässig wie selbstsicher dreinschaute.
Declan lächelte, als ihm klar wurde, was Taryx’ stiller Trotz bedeutete. »Gezeiten, du verschlagener alter Kater bist ja ein Ark.«
Der Felide starrte ihn eine Weile an und
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