Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
natürlich«, sagte Maralyce und runzelte über ihre Frage die Stirn.
Als Tiji verständnislos dreinsah, fügte Lukys hinzu: »Der Kristall darf unter keinen Umständen mit dem Eis in Kontakt kommen, während wir den Gezeitenstrom auf ihn ausrichten. Sobald Lord Cayal zusammenbricht -was sehr wahrscheinlich ist, da er in erster Linie an der Zeremonie teilnimmt, weil er sterben möchte –, ist es deine Aufgabe, den Kristall aufzufangen, damit wir unser Werk vollenden können.«
Das klang verdächtig einfach. »Und was passiert dann?«
»Dann kannst du gehen«, versprach er ihr.
Das klang entschieden zu einfach.
»Wenn das alles so einfach ist, warum lasst ihr ihn dann nicht von Eurem Miezekätzchen halten?«
Maralyce schüttelte den Kopf. »Wir können es mit einem Crasii nicht riskieren. Cayal wird während der … Zeremonie starke Schmerzen haben. Wenn es zu viel für ihn wird, könnte er einem Crasii befehlen, ihm den Kristall abzunehmen und fallen zu lassen. Mit einem Ark wird das nicht funktionieren.«
»Und das ist alles, was ich tun soll?«
»Nicht mehr und nicht weniger.«
Tiji starrte Lukys wütend an. »Deshalb musstet Ihr mich doch nicht in einer Eishöhle einfrieren«, bemerkte sie wütend. »Ihr seid schuld an Azquils Tod.«
»Ein bedauernswerter Unfall«, sagte Lukys. »Aber mal im Ernst, wärst du jetzt sonst hier? Wenn wir dich nett darum gebeten hätten?«
»Nein.«
»Na siehst du«, sagte Lukys. Damit war das Gespräch für ihn beendet, und er ging weiter die Treppe hinauf zu den Lagerräumen, die nun nur noch Werkzeuge und leere Fässer enthielten, in denen einst genug Lebensmittel gewesen waren, um all die Sklaven durch den langen arktischen Winter zu bringen.
Bevor Tiji Einspruch erheben konnte, packte Maralyce sie am Arm. »Komm mit, Liebes. Du brauchst gar keine Angst zu haben.«
»Hab ich auch nicht«, log Tiji, als Maralyce die widerstrebende kleine Chamäleon-Ark auf die Kammer zuführte.
Tiji warf einen Blick über die Schulter zu Lukys, der sich auf der Treppe entfernte, aber der Gezeitenfürst beachtete sie nicht mehr. Er stieg die geisterhaft grüne Treppe hinauf, fütterte die fette Ratte auf seiner Schulter mit kleinen Leckerbissen und flüsterte ihr tröstend zu.
»Jetzt ist es bald so weit, mein Liebling, hab Geduld. Bald ist es so weit.«
55
Dass es wesentlich weniger Zeit kostete, den Palast zu erreichen, als bei Declans letzter Reise dorthin, war der weichenden Küstenlinie zu verdanken, die einfach wegschmolz, während die Flut Amyrantha erwärmte. Sie kamen genau im ersten Morgengrauen an. Von außen sah Lukys’ Palast der unmöglichen Träume aus wie immer. Es war nichts anders an ihm, nichts unheilvoll Drohendes. Er war einfach nur beeindruckend.
Der Palast veranlasste alle zu spontanen Ausrufen der Bewunderung, außer Declan, der das Privileg genoss, ihn schon gesehen zu haben. Von der Höhe des Grates starrte er eine ganze Weile auf ihn hinunter und fragte sich, ob Arkady dort drinnen war. Er war nicht sicher.
Und wenn sie drin war, war sie am Leben? Hatte sie Angst? Oder hatte sie ihre Möglichkeiten abgewogen und entschieden, dass Cayal letzten Endes gar keine schlechte Wahl war, und sich mit ihm zusammengetan? War sie jetzt dort und schlief in seinen Armen?
»Gezeiten! Warum baut man so etwas hier unten, wo es keiner sonst sehen kann?«, fragte Medwen und unterbrach damit Declans sinnlose Spirale verstörender Gedanken.
Sie hatten auf der Erhebung angehalten, um den Palast zu betrachten. Es war nur noch weniger als eine Meile zu gehen, und alle – ausgenommen natürlich der völlig in Pelze gehüllte Canide, der mit dauerhaft finsterer Miene neben Declan herschritt, und der sterbliche Mann, der hier die Bruderschaft repräsentierte – hatten sich vollständig von der magischen Reise über den Ozean erholt. Mit der Flut auf diesem Stand hatte sich offensichtlich auch ihre Heilzeit beträchtlich verkürzt.
Bedeutet das, fragte sich Declan, dass wir unverzüglich heilen, wenn die Flut vollends auf dem Höhepunkt ist?
»Er ist aus Eis gebaut, Medwen«, erläuterte Rance. »Wo hätte er ihn sonst bauen sollen? Im Zentrum von Ramahn?«
»Er würde in Torleniens Hitze höchstens ein paar Stunden stehen«, ergänzte Krydence unnötig und stimmte in das Gelächter seines Bruders ein, obwohl sonst niemand auch nur lächelte. Sie schienen wirklich abwegige Verbündete zu sein, aber da sie sich bereit erklärt hatten, die Streitigkeiten mit Jaxyn
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