Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
auszusetzen, waren Rance und Krydence Declans geringstes Problem. Selbst Syrolee benahm sich zivilisiert. Es war beinahe, als hätte es den Krieg zwischen Caelum und Glaeba gar nicht gegeben. Declan schmerzte nur die Erkenntnis, wie viel caelisches und glaebisches Blut diese Unsterblichen bedenkenlos für etwas vergossen, was sich – spätestens im Angesicht einer größeren Bedrohung – nun wie eine kleine Zerstreuung ausnahm.
»Ihr wisst genau, was sie meint«, sagte Kinta, genauso ungehalten über diesen kindischen Humor wie Declan.
»So wie ich es verstanden habe, hat Lukys noch nie etwas so Beeindruckendes gebaut«, erklärte Declan. »Er hat Taryx hierhergebracht, damit er ihm die Eiskammer aushöhlen half, und es war wohl auch Taryx, der fand, man könnte mit den Unmengen von Eisblöcken noch etwas anderes bauen.«
»Wenn sie das aus dem Abraum der Eiskammer gebaut haben, dann ist das aber eine gewaltige Kammer«, stellte Diala fest. Sie beobachtete sorgenvoll den Palast, blinzelte und beugte sich ein Stückchen weiter vor. Dann zeigte sie auf etwas. »Ist da jemand auf dem Dach?«
»Wo?«, fragte Brynden und zog ein kleines Teleskop aus einem Beutel an seinem Gürtel, an dem er – neben mehr Waffen, als Declan benennen konnte – auch andere nützliche Dinge in verschiedenen zweckdienlich gefertigten Taschen trug.
»Auf dem linken Turm«, sagte Ambria und zeigte hin. »Ich sehe es auch. Da oben bewegt sich etwas.«
Brynden suchte den Palast durch sein Teleskop ab, bis er entdeckt hatte, worauf die anderen zeigten. »Ich glaube, das ist Pellys«, sagte er nach einem Augenblick.
»Also sind wir rechtzeitig gekommen?« Syrolee klang hoffnungsvoll. »Ich meine, wenn sie schon angefangen hätten, wären sie doch alle drin, oder nicht?«
Declan schüttelte zweifelnd den Kopf. »Ich bin nicht sicher, ob Lukys Pellys* Hilfe wünscht. Er sagte mir, die Gezeiten auf den Kristall zu fokussieren brauchte mehr Konzentration, als Pellys seiner Meinung nach aufbringen kann. Das war einer der Gründe, aus dem Lukys Cayal gedrängt hat, Elyssa in die Sache zu verwickeln.«
»Und dieses blöde, liebeskranke Flittchen blickt einmal in diese trauertriefenden, selbstmörderischen blauen Augen und ist sofort einverstanden mit allem, was er will, nehme ich an. Gezeiten! Ich werde nie verstehen, was Frauen in Cayal sehen.« Tryan sah Kinta und Medwen an. »Ihr Mädchen habt doch auch gleich die Beine breit gemacht, als er das erste Mal in eure Richtung sah, war’s nicht so? Was meint ihr, was ist sein Geheimnis?«
Brynden schob mit einem Knurrlaut sein Teleskop zusammen und trat vor Tryan hin, bevor eine der beiden Frauen antworten konnte. Declan war sicher, dass Tryan die Bemerkung nur gemacht hatte, um ihn in Harnisch zu bringen.
»Ist das jetzt wichtig?«, fragte er rasch und stellte sich zwischen sie. »Wichtig ist, dass Pellys da oben ist und dass er uns winkt. Das heißt, vielleicht kommen wir rein.«
»Er ist gesprungen«, verkündete Warlock plötzlich.
Sie wandten sich alle zu ihm um. Der Canide hatte sein eigenes Teleskop am Auge, die Kapuze von seiner Pelzjacke zurückgeworfen, um ein besseres Gesichtsfeld über dem Palast zu haben. »Seht ihr? Da. Am Boden unter dem Turm.«
»Warum sollte er springen?«, fragte Stellan und versuchte mit bloßem Auge zu erkennen, wovon Warlock sprach. Brynden zog wieder sein Messingrohr auseinander und richtete es auf den Palast.
Declan konnte sich keine Erklärung denken. Soweit er wusste, war Pellys kein Selbstmörder, und wenn, würde ihm der Sprung von einem hohen Gebäude wenig nützen. Er blinzelte bei dem Versuch, etwas zu erkennen. Da war keine Gestalt mehr auf dem Turm, die ihnen winkte, aber eine unbewegliche verrenkte Figur lag auf dem harten Schnee unter den Palastmauern ausgestreckt.
»Fein«, sagte Jaxyn und klopfte Declan auf die Schulter. »Ihr wolltet doch wissen, was passiert, wenn wir versuchen zu fliegen.«
»Glaubt Ihr, er ist verletzt?«, fragte Declan besorgt.
»Der Schnee wird seinen Aufprall bis zu einem gewissen Grad gedämpft haben«, erwiderte Brynden.
»Selbst wenn nicht. Wie ich Pellys kenne, betrachtet er den Schmerz der Heilung bestimmt als einwandfreien Preis für die Abkürzung«, sagte Tryan so geringschätzig, dass Declan sich fragte, ob Tryan wirklich über seinen Vater sprach.
Gezeiten, klinge ich auch so, wenn ich von Lukys spreche?
Kurz darauf rappelte sich die reglose Gestalt am Fuße der Palastmauern plötzlich auf und kam
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