Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
Vorfahren. Das ist Fakt, keine Spekulation.«
Gespannt beobachtete Declan Cayal, der immer noch ungläubig den Kopf schüttelte. Declan fand es faszinierend, wie diese Unsterblichen auf die Entdeckung reagierten, dass sie nicht ganz das waren, was sie zu sein glaubten. Diese Sorge hatte er nicht. Er hatte immer schon gewusst, dass sein Großvater ein Gezeitenwächter war, und daraus folgte ohne Wenn und Aber, dass er unsterbliche Vorfahren haben musste. Dass auch sein Vater unsterblich war, war so gesehen ebenfalls keine allzu große Überraschung gewesen. Er war immerhin mit dem Bewusstsein aufgewachsen, dass seine Mutter eine Hure war und dass ihn irgendein beliebiger Freier gezeugt haben konnte.
Aber diese Unsterblichen hatten ganze Jahrtausende in der Überzeugung gelebt, dass sie über ihre Familien alles wussten, was es zu wissen gab. Zu erfahren, dass sie damit womöglich falschlagen, traf sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
»Warum hat das noch nie jemand erwähnt?«, fragte Cayal.
»Wozu denn?«, entgegnete Kentravyon. »Wer von wem gezeugt wurde, ist doch nicht weiter wichtig, Cayal. Ich meine, der junge Declan hier ist ein Sonderfall, weil er genau weiß, wer seine unsterblichen Vorfahren sind. Aber euch anderen kann es doch egal sein – was macht das schon für einen Unterschied?«
Kinta lächelte plötzlich, wenn auch kein freundliches Lächeln.
»Wenn Pellys dein Vater ist, dann sind Tryan und Elyssa deine Geschwister, Cayal.«
»Wieso das?«, fragte Kentravyon. Er sah erstaunt aus.
»Jeder weiß doch, dass Pellys die beiden gezeugt hat.«
Kentravyon schüttelte den Kopf. »Unwahrscheinlich. Oder zumindest nicht er allein. Ich schätze, bei der Entstehung von Syrolce und ihrer Sippschaft hatten Lukys und Coryna ihre Hand im Spiel. Eine solche Bande blutsverwandter Unsterblicher entsteht nicht rein zufällig.«
»Meinst du Coron, die Ratte?«, fragte Declan in der Annahme, Kentravyon habe den Namen falsch ausgesprochen.
Der Unsterbliche lächelte rätselhaft. »Coron war nicht immer eine Ratte, müsst ihr wissen.«
»Aber Coron ist tot«, sagte Cayal stirnrunzelnd.
Declan verstand die Besorgnis in Cayals Miene. Schließlich unternahm er diese Reise in der Überzeugung, dass Lukys einen Weg gefunden hatte, wie man Unsterbliche umbrachte, und zum Beweis hatte er Coron getötet, den einzigen Unsterblichen in Tiergestalt. Zweifel an dieser Gewissheit konnte er wirklich nicht gebrauchen.
»Wie?«, fragte Declan rasch. »Wie genau hat er die Ratte getötet?«
»Ich weiß es nicht!«, fauchte Cayal. »Ich weiß nur, dass er tot ist, und dass Lukys mich auch umbringen kann, sobald er diesen Kristall des Chaos in die Finger bekommt.«
»Schon, aber …« Die Schwachstelle an Lukys’ Geschichte war so augenfällig. Declan konnte nicht verstehen, warum das niemand außer ihm erkannte. »Wenn man den Kristall des Chaos braucht, um einen Unsterblichen zu töten – wie konnte er dann die Ratte erledigen, wo er ihn gar nicht hat? Ich meine, selbst Kentravyon hier weiß nicht mit Sicherheit, ob es dich wirklich umbringen wird, den Spalt mithilfe des Kristalls zu öffnen. Und man sollte doch meinen, sie müssten es wissen, da sie es ja schon mehrmals getan haben, richtig?«
»Schon etliche Male«, bekräftigte Kentravyon heiter.
»Spalt?«, fragte Kinta. »Was für ein Spalt?«
»Lukys hat angeboten, Cayal umzubringen, indem er einen Spalt zu einer anderen Welt öffnet«, erklärte ihr Declan. »Leider besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass dabei ganz Amyrantha vernichtet wird, aber das scheint Cayal nicht weiter zu stören. Genauer gesagt scheint es niemanden aus dem Haufen zu stören, der bei diesem kleinen Abenteuer dabei sein will. Im Augenblick sind die zwei hier unterwegs zu Elyssa, die wohl herausgefunden hat, wo der Kristall des Chaos versteckt ist. Und den braucht Lukys, um die Gezeitenenergie zu bündeln, damit es überhaupt klappen kann.« Er sah Kentravyon und Cayal an. »Hab ich was vergessen?«
Kinta starrte sie erbost an. »Warum wurden Brynden und ich nicht von diesem Plan unterrichtet?«
Cayal verdrehte ungeduldig die Augen. »Gezeiten, Kinta, da fragst du noch? Das letzte Mal, als ich Brynden über den Weg lief, hat er versucht, uns mit einem Meteor plattzumachen. Ach nein, das war Vorletztes Mal. Beim letzten Mal hat er eine Freundin von mir in die Sklaverei verkauft, bloß um mich zu ärgern. Und nur zu deiner Information, ich habe Brynden von der Sache mit dem Spalt
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