Fallon, Jennifer - Gezeitenstern Saga 4 - Der Kristall des Chaos
verdächtiger machen, erst recht bei all dem Unheil, das sie auf dem Weg hierher angerichtet hatten.
Cayal richtete sich auf und drehte sich um. »Was wir vorhaben, geht dich einen –«
»Nun sag’s ihr schon, Cayal«, unterbrach ihn Declan.
»Das braucht sie nicht zu wissen.«
»Es ist aber auch nicht nötig, dass sie es nicht weiß. Und wenn du ihr nicht die Wahrheit sagst, geht sie schnurstracks zu Brynden und erzählt ihm von uns, und dann wird er hinter dir her sein, und wir müssen uns mit ihm herumschlagen. Also sag’s ihr endlich, bei den Gezeiten!«
Kinta sah Declan an. In ihrem Blick lag fast so etwas wie Respekt. »Du klingst vernünftig, Declan Hawkes. Vielleicht hat das Schicksal weise entschieden, als es dich unsterblich machte.«
»Das Schicksal hat damit nichts zu tun, Kinta«, sagte Cayal. »Dahinter steckt hauptsächlich Lukys und sein verdammtes Zuchtprogramm.«
»Was redest du da, Cayal?«
Cayal starrte sie einen Augenblick an, dann zuckte er die Achseln, als habe er sich zu einer Entscheidung durchgerungen. »Vielleicht setzen wir uns lieber«, knurrte der unsterbliche Prinz mit einem leicht resignierten Seufzer. »Ich erzähle dir die ganze leidige Geschichte von Anfang an. Sie beginnt mit der erstaunlichen Neuigkeit, dass Maralyce vor rund achtzig Jahren noch ein Kind zur Welt brachte …«
Als Cayal Kinta schließlich umfassend auf den neuesten Stand gebracht hatte, war ihre Miene finster geworden. Es war inzwischen völlig dunkel, und sie saßen am verlassenen Strand um das Lagerfeuer aus Treibholz. Kinta gegenüber hockte Kentravyon, leckte geräuschvoll die Gräten seines Fischs sauber und schien sich um die Unterhaltung nicht zu kümmern. Die Nacht war still bis auf das leise Murmeln des Meeres hinter ihnen.
»Aber wenn zur Erschaffung eines Unsterblichen bloß ein Mischling nötig ist, der zu mehr als der Hälfte unsterbliche Anlagen hat«, grübelte Kinta mit gerunzelter Stirn, »dann stellt das alles infrage, was wir über unsere Herkunft oder über uns selbst zu wissen glauben.«
»Du sagst es«, bekräftigte Cayal.
»Das heißt auch, dass ihr in Wahrheit alle miteinander verwandt seid«, warf Kentravyon ein und warf den letzten Rest Fischgerippe ins Feuer. Er wischte sich die Hände am Sand ab, schaute sie über die Flammen hinweg an und lächelte breit.
»Was meinst du damit?« Kinta sah offensichtlich keinerlei Anlass zum Lächeln.
Declan verstand sofort, worauf Kentravyon hinauswollte. »Er meint, da nur einige wenige Unsterbliche durch den Spalt eingedrungen sind, müssen folglich alle weiteren Unsterblichen ihre Nachkommen sein.«
Kinta schüttelte den Kopf. »Das kann nicht sein. Meine Mutter war eine ehrenwerte Frau, mein Vater ein Häuptling in einem selten von Fremden besuchten Dorf. Es ist undenkbar, dass ich der Bankert eines zufällig durchgereisten Unsterblichen bin. Das gilt übrigens auch für Brynden.«
Jetzt, wo Kentravyon mit seinem Fisch fertig war, schien er sich doch zunehmend für ihre Unterhaltung zu interessieren. Er rückte näher ans Feuer und schlug einen leicht belehrenden Ton an. »Aber Kinta, meine Liebe. Du und Brynden, ihr stammt beide aus demselben abgelegenen Dorf mitten im tiefsten Fyrenne. Da ist es doch mehr als wahrscheinlich, dass ihr in Wahrheit eine Spur enger verwandt seid, als die Konvention gutheißt.«
Kintas Miene versteinerte bei dieser Eröffnung. Doch es war Cayal, der abwehrend den Kopf schüttelte. »Das ist doch Unsinn. Wenn es zutrifft, was du sagst, wer soll mich dann deiner Ansicht nach gezeugt haben? Meine Mutter war die Königin von Kordana.«
Kentravyon zuckte die Achseln. »Gezeiten, woher soll ich das denn wissen? Soweit ich mich erinnere, hat sich Pellys damals eine Weile in Kordana herumgetrieben, also war er es vielleicht. Ich weiß, dass deine Mutter nicht im Kindbett starb. Es hieß, sie sei wegen Ehebruchs hingerichtet worden.«
»Das ist doch lächerlich!«
»Nun, du musst es ja wissen, Cayal«, meinte Kentravyon ungerührt. »Aber wenn du es genauer bedenkst, passt alles zusammen. Ich meine, deine Schwester hat dich immer gehasst, oder? Und als Königin von Kordana, nachdem eure Mutter tot war, hätte sie die Wahrheit wohl gekannt.«
»Ich wurde verstoßen, weil ich einen Mann ermordet hatte, nicht weil ich ein Bankert war.«
»Vielleicht stimmt das«, entgegnete der Ältere, »aber du bist nun mal unsterblich, Jungchen, also hast du irgendwo in deiner Erblinie mehr als nur einen unsterblichen
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