Falltür - bitte klopfen

ausgestreckt.
    »Larry!« Die schreckliche
Stimme wiederholte meinen Namen noch flehender. »Ich bin’s doch nur — Martha!«
    Ich wandte mich ganz langsam
um, und es wäre mir lieber gewesen, ich hätte einen Spiegel gehabt, um zuerst
da hineinschauen zu können — wodurch ich mir das Risiko erspart hätte, beim
ersten Blick ins Gesicht des Wesens hinter mir zu Stein verwandelt zu werden.
Aber das Gesicht gehörte tatsächlich Martha Westcott, und die zugehörige Figur
erst recht — das sah ich, als sie von der Stufe aufstand, wo sie gesessen
hatte. Morgenmantel und Nylontraum waren verschwunden, statt dessen trug sie
einen schwarzen Pullover und Jeans; beides paßte wie angegossen. Ich stolperte
ein paar Schritte auf sie zu und bemühte mich um ein Willkommenslächeln.
    »Larry, ist Ihnen nicht gut?«
Sie betrachtete mich besorgt. »Wo tut’s denn weh?«
    »Es tut nur weh, wenn ich
lächle«, sagte ich heiser und gab den Versuch mit meiner Gesichtsmuskulatur
auf. »Warum, zum Teufel, haben Sie nicht gleich gesagt, daß Sie’s sind — statt
mir einen nahezu tödlichen Schreck einzujagen?«
    »Ich wollte Sie nicht
erschrecken«, erklärte sie allen Ernstes. »Wir müssen uns außerdem ganz ruhig
verhalten. Ich glaube, ich weiß, wer Tony Lucas umgebracht hat — und weshalb.
Wir beide werden das jetzt herauskriegen!«
    »Soll das ein Witz sein?«
meinte ich. »Für die nächsten sechs Tage habe ich nur ein einziges Ziel — am
Leben zu bleiben.«
    Ich hob das Gewehr auf und
richtete es auf sie. »Und genau das werde ich auch tun, selbst wenn ich zu
diesem Zweck jedermann zur Hölle und zurück schicken muß!«
    »Legen Sie das dumme Ding weg«,
sagte sie kühl. »Sonst verletzen Sie noch jemand damit.« Sie schritt an mir
vorüber ins Wohnzimmer. »Gehen wir hier rein, damit wir ungestört sprechen
können.«
    »Aber ich soll doch die Treppe
bewachen«, murmelte ich. »Was passiert, wenn der mörderische Irre ins Haus und
nach oben gelangt?«
    »Der mörderische Irre befindet
sich bereits im Haus — und oben«, wisperte sie. »Deswegen müssen wir uns
unterhalten.«
    Das überzeugte mich. Ich folgte
ihr ins Wohnzimmer, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern. Wenn der
Verrückte oben war, dann wollte ich die nächsten sechs Tage schön parterre
bleiben. Martha setzte sich auf die nächstbeste antike Couch und winkte mich
neben sich.
    »Wir müssen leise reden«,
flüsterte sie. »Ich glaube, er schläft, aber wenn es nicht so ist und er hier
unten Stimmen hört, dann sieht er nach und merkt, daß ich nicht in meinem
Zimmer bin...« Sie schauderte. »Es wäre für uns beide das Ende, davon bin ich
überzeugt.«
    Einen Moment lang überlegte
ich, ob ich sie vielleicht überreden könnte, mich unter die Couch kriechen zu
lassen, derweil sie mit mir sprach. Aber dann kehrte meine Männlichkeit zurück,
und ich sagte mir, das könne ich ihr doch nicht zumuten — und überdies war das
komische Sitzmöbel ohnehin zu kurz.
    Sie sah mich unverwandt an, und
ihre sonst so kalten blauen Augen waren groß und empfindsam und hatten einen
Ausdruck, der nicht weit von nackter Angst entfernt war.
    »Ihre scheinbar verrückte
Geschichte, daß Sie gesehen haben, wie Emile Eugenes Leiche herumgeschleppt
hat«, wisperte sie. »Es stimmt, nicht wahr?«
    »Natürlich!« schnarrte ich.
»Wie kommt es, daß Sie’s plötzlich glauben wollen?«
    »Weil Sie noch etwas anderes
gesagt haben, Larry.« Ein zaghaftes Lächeln kräuselte ihre zitternden Lippen.
»Sie haben eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe, und ich habe Ihnen zunächst
nur nicht glauben wollen, obwohl ich fühlen konnte, daß Sie recht hatten.«
    »Ich verstehe kein Wort«,
erklärte ich wahrheitsgemäß. »Was habe ich denn beobachtet, das plötzlich so
wichtig ist?«
    »Der Unterschied an Eugene, als
er uns zusammen in Ihrem Zimmer fand«, sagte sie gepreßt. »Das haben Sie sehr
gut gemacht. Er war nämlich wirklich anders — ganz anders.«
    »Sie meinen, er ist also doch
ein Geist?«
    »Nein.« Sie schüttelte heftig
den Kopf. »Erinnern Sie sich noch, was Sie über ihn sagten? >Auf den ersten
Blick sieht er genauso aus<, haben Sie gesagt, >aber er ist nur so etwas
wie sein eigener Doppelgänger. Der Schnurrbart sieht anders aus, und der
Haarwuchs ist einen Zentimeter zurückgegangen.< Erinnern Sie sich, Larry?«
    »Natürlich«, gab ich nervös zu.
»Aber wenn es nicht beweist, daß er ein Geist ist, was beweist es dann?«
    »Es beweist, daß von dem
Augenblick