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Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)

Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carin Gerhardsen
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niemals – während der Arbeitszeit passierte. Sein Magen zog sich zusammen.
    »Sonja?«
    Zuerst hörte er nur ein paar Seufzer. Immer mit der Ruhe, dachte er. Was auch immer passierte, man musste die Ruhe bewahren, sich nicht aufregen, um nicht einen neuen Schlaganfall zu riskieren.
    »Liebe Sonja, was ist denn passiert?«
    Er holte tief Luft, versuchte sich dem gegenüber zu wappnen, was auf ihn zukam. Versuchte, Gerdin in den Blick zu bekommen, aber er konnte sie nicht mehr sehen.
    »Es ist Jenny. Sie … Entschuldige, dass ich dich damit während der Arbeitszeit belaste, aber ich konnte nicht …«
    Dann gewannen die Tränen wieder die Oberhand, sie bekam nicht heraus, was sie sagen wollte. Sandén fühlte sich vollkommen machtlos. Zu weit entfernt von Sonja, wenn sie ihn am dringendsten brauchte, mitten im Wald mit einer Gerdin, die kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen schien und plötzlich nicht mehr zu sehen war. Wo zum Teufel steckte sie bloß? Während er darauf wartete, dass seine Frau die Fassung wiedergewann, hielt er das Handy weg und versuchte erneut, Kontakt zu seiner Kollegin aufzunehmen.
    »Gerdin!«, schrie er aus vollem Hals, ohne eine Antwort zu bekommen.
    Sein Schrei hallte zwischen den Baumstämmen und Felsbrocken wider, aber von Gerdin war nichts zu hören. Er drückte das Handy wieder ans Ohr und begann dorthin zu gehen, wo sie sich befinden sollte.
    »Entschuldige, Liebling«, nahm er das Gespräch wieder auf. »Ich bin mitten im Wald, und Gerdin ist verloren gegangen. Versuch es mir zu erzählen.«
    Er schaute nach rechts und nach links – keine Gerdin. Sie hatte doch ein weißes Kleid an, verdammt, das konnte doch in diesem ganzen Grün nicht schwer zu finden sein. Sandén trat der kalte Schweiß auf die Stirn. Sonja atmete unkontrolliert, gab ein langgezogenes Wimmern von sich, bevor sie wieder zu schluchzen begann.
    »Jens … Jenny ist schwanger«, bekam sie schließlich heraus. »Ich kann nicht … Wir können doch nicht …«
    Das durfte nicht wahr sein. Jenny konnte nicht schwanger werden, Sonja hatte dafür gesorgt, dass sie verhütete. Um das zu vermeiden, was auf keinen Fall passieren durfte. In die Richtung, in die Gerdin verschwunden war, begann er jetzt zu laufen, so gut, wie es in dem dichten Unterholz eben ging. Kämpfte sich durch widerspenstige, nadlige, spitze Zweige. Jenny konnte sich nicht um ein Kind kümmern, sie waren nicht bereit, noch einmal Eltern zu werden, mit den durchwachten Nächten und all dem, was man opfern musste. Geld, Zeit – sie hatten doch dasselbe verdammte Recht wie alle anderen, diese Dinge endgültig hinter sich zu lassen und in Ruhe und Frieden alt zu werden. Eine unter dem Moos versteckte Wurzel brachte ihn ins Stolpern, er verlor fast das Gleichgewicht. Sein Puls beschleunigte sich, er durfte seinen Gefühlen nicht freien Lauf lassen.
    »Das kriegen wir hin, Sonja«, sagte er sanft. »Du und ich und Jenny, wir alle zusammen.«
    »Sie ist schon weit. Viel zu weit für eine Abtreibung.«
    Er kam langsam außer Atem. Ein Fichtenzweig verpasste ihm einen Hieb über die Wange.
    »Wir kriegen das hin«, wiederholte er. »Wir sind starke, positive Menschen …«
    Da entdeckte er etwas Weißes, ein kleines Stück rechts von ihm, ein großes Bündel, das auf der Erde lag. Ein weißes, blutiges Bündel. Er beeilte sich, presste sich seitwärts durch das Geäst, vollkommen unbeeindruckt von den nadligen Zweigen, die ihm ins Gesicht peitschten. Stolpernd legte er die letzten Meter zu seiner Kollegin zurück, der mittlerweile alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war.
    »Ich muss jetzt aufhören, Sonja. Muss den Rettungswagen anrufen. Ich weiß nicht, ob sie noch lebt.«
    Er drückte das Gespräch weg, wählte den Notruf und sank mit dem Handy zwischen Wange und Schulter auf die Knie. Suchte nach einem Puls, ohne ihn sofort zu finden. Gab auf und legte stattdessen seine Hand auf Gerdins Stirn. Zu seiner Überraschung fühlte sich ihr Gesicht ganz kalt an. Das feine Sommerkleid war untenherum ganz blutig. Er hob es an einem Zipfel hoch und stellte fest, dass auch die Unterhose von Blut durchtränkt war und dass auch einiges an den Beinen heruntergelaufen war. Jetzt war es eilig, jede Sekunde zählte. Als er die Stimme am anderen Ende hörte, trug er vor, was er sagen wollte, sachlich und deutlich und ohne Raum für Fragen zu lassen.
    »Ich heiße Jens Sandén, Kriminalinspektor bei der Hammarbypolizei, und befinde mich in Huddinge, in dem Waldgebiet um den

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