Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)
DerHeilige seinen Beitrag abschickte, kämpfte die Feuerwehr immer noch darum, den Brand unter Kontrolle zu bekommen.
DerHeilige: Eine alte Klassenkameradin aus meiner Grundschule wohnt dort. Ich hoffe wirklich nicht, dass sie oder ein Mitglied ihrer Familie noch im Haus ist. Ich gehe mal rüber und checke die Lage. Vielleicht kann ich ein paar Bilder mit dem Handy machen und hier posten.
Genau das hatte sie gebraucht. Mit steigendem Puls ging sie den Rest des Threads durch, bis klar war, dass bei dem Feuer ein achtzehnjähriges Mädchen namens Veronica Bengtsson tragisch ums Leben gekommen war. Der Name des Hofs war schon weiter oben im Thread genannt worden, und mithilfe dieser Information hatte sie genügend Fakten, um weitersuchen zu können. Voller Eifer loggte sie sich bei StayFriends ein und hatte bald eine ganze Klassenliste vor sich auf dem Bildschirm. Eines der Kinder in der sechsten Klasse der Forssjö-Schule im Schuljahr 2001/2002 hieß tatsächlich Veronica Bengtsson. Mit ein bisschen Glück verbarg sich also hinter dem Pseudonym DerHeilige einer der Jungen auf dieser Liste. Die Frage war nur – welcher von ihnen?
Gerdin ließ ihren Blick über das Klassenfoto wandern. Er war heute 182 Zentimeter groß und wog 85 Kilo. Das sagte nicht darüber aus, wie groß und schwer er in der sechsten Klasse gewesen war. Sah er traurig aus? Gefährlich? Misshandelt, schlecht gekleidet, vernachlässigt? Natürlich sahen alle Jungen süß und nett aus. Wie die meisten Kinder eben. Und löchrige Knie an den Hosen gehörten ohnehin zur Kindheit.
Was sagte der Benutzername – DerHeilige – darüber aus, wer er war? Nichts natürlich, er war alles andere als ein Heiliger. Möglicherweise verfügte er über Selbstironie und einen Funken Humor. Erneut warf sie einen Blick auf die Namen in der Liste. Und da war er. Klar und eindeutig.
Er stand in der hinteren Reihe als Zweiter von links und sah vollkommen unauffällig aus. Und Gerdin hatte sich nicht geirrt; er verfügte tatsächlich über einen Funken Humor.
Sein Name war Simon Tampler.
The Saint. Der Heilige.
*
Sjöberg war eigentlich nicht aufgelegt für ihre Neuigkeiten, für die Fakten, die sie ihm darlegte, und von den ganz unterschiedlichen Ideen, die sie ihm unterbreitete. Er war davon überzeugt, dass es unter den Thesen, mit denen sie bis jetzt gearbeitet hatten, eine gab, die sich als richtig herausstellen würde. Dass sie nicht alle gemeinsam in die total falsche Richtung gestürmt waren. Und dass es nicht Gerdin sein würde, die ihnen den Kopf des Mörders auf einem Silbertablett servierte.
Gerdin, die niemand so richtig ernst genommen hatte – na ja, abgesehen von Sandén natürlich, aber ihn konnte man ja auch nicht immer so ganz ernst nehmen. Sollte ausgerechnet sie, auf die niemand hörte, die Einzige sein, die nicht den ausgetretenen Pfaden gefolgt war, die Einzige, die sich nicht von den Überzeugungen der anderen hatte lenken lassen? Die ihnen zu allem Überfluss am vorhergehenden Tag beinahe weggestorben wäre und jetzt in einem Krankenhaus in Huddinge lag und sich von einer komplizierten Unterleibsoperation erholte. Das war schlicht und ergreifend nicht das, was er sich vorgestellt hatte.
Und der einzige Grund dafür, dass er ihr überhaupt zuhörte, war das schlechte Gewissen, das er ihr gegenüber verspürte. Und dass Sandén bei mehreren Gelegenheiten laut geworden war, was eigentlich gar nicht seine Art war. Aus diesen Gründen hatte Sjöberg also entschieden, ihr eine Chance zu geben. Es ging dabei keineswegs um Intuition, sondern nur um Vernunft. Er hatte einfach entschieden, dass er ihr entgegenkommen würde. Bevor sie mit diesem erstaunlichen Vorstoß kam. Aber im Laufe des Gesprächs wurde Sjöberg klar, dass sie ihn, den Abweisenden, ganz aus freien Stücken kontaktiert hatte, und nicht Sandén, bei dem sie sich sicher sein konnte, dass er sie ernst genommen hätte. Und das war stark, das musste er zugeben.
»Hör zu, Conny«, sagte Gerdin. »Er heißt Simon Tampler, ist zwanzig Jahre alt und wohnt in Forssjö bei Katrineholm. Schlag ihn und seine Familienangehörigen im Kriminalregister nach, du wirst bestimmt etwas finden. Er hat eine zerrüttete Kindheit, ist eigentlich ein netter und freundlicher Junge, aber psychisch labil.«
»Wie sicher bist du dir, dass er derjenige ist, nach dem wir suchen?«
»Neunzig Prozent.«
»Nur neunzig?«
»Er könnte ja ein Troll sein.«
»Ein Troll?«
»Einer, der sich für jemand anderen
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