Falsch
Kassette aus dem Beutel!«, rief er Christopher zu. »Und drehen Sie sich nicht um.«
Weber öffnete den Verschluss, zog den Stahlbehälter aus seiner Hülle und wartete. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Er suchte mit den Augen das gegenüberliegende Ufer ab. Nichts. Niemand war zu sehen, von dort war keine Hilfe zu erwarten.
»Stellen Sie ihn neben sich auf den Steg!«
Christopher bückte sich langsam und deponierte die Schatulle auf einem der flacheren Steine neben seinem Fuß. »Und jetzt?«, fragte er laut, und seine Stimme klang fester, als er befürchtet hatte.
»Jetzt? Jetzt haben Sie Ihre Schuldigkeit getan. Kennen Sie das Sprichwort vom Mohr, Weber? Nur Sie, Sie können nicht gehen, Sie wissen zu viel.« Er legte an. Das Fadenkreuz des Zielfernrohrs pendelte sich genau auf der Schläfe Christophers ein.
Da ließ ein metallisches Klicken den Mann mit dem Gewehr erstarren.
»Tun Sie es ruhig, los, drücken Sie ab«, sagte eine harte Stimme hinter ihm in einem fast einschmeichelnden Ton. »Dann brauche ich keine Gewissensbisse zu haben, Ihnen ein Loch in den Kopf zu schießen. Der Dank der Gesellschaft ist mir gewiss. Und Zeugen habe ich mehr, als ich brauche. Sehen Sie sich ein wenig um …«
Als er den Kopf wandte, sah er aus den Augenwinkeln, wie der Wald rund um ihn zu leben begann. Die Männer des Sondereinsatzkommandos in ihren schwarzen Kampfuniformen und schusssicheren Westen schienen sich aus dem Nichts zu materialisieren und fast lautlos zwischen den Bäumen auf ihn zuzukommen. Die Sturmgewehre in ihren Händen waren alle auf einen Punkt gerichtet.
»Hören Sie gut zu, ich habe weder Lust noch Zeit, mich zu wiederholen.« Die Stimme war schneidend. »Entweder Sie lassen sofort das Gewehr fallen und heben die Hände, oder das SEK bekommt den Schießbefehl von mir. Und glauben Sie mir, die Männer zögern nicht einen Wimpernschlag.«
Sekunden später polterte das Scharfschützengewehr auf den Boden, und Kommissar Maringer warf sich auf den Unbekannten. Dann waren auch schon die Polizisten des SEK zur Stelle und legten dem Mann im Tarnanzug Hand- und Fußfesseln an.
Christopher ließ sich einfach neben die Stahlkassette auf den Steg sinken und atmete aus. Er hatte das Gefühl, Millionen Ameisen kribbelten in seinen Adern.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich der Kommissar und setzte sich zwanglos neben ihn auf die Steine.
Chris nickte stumm und wartete darauf, dass sich sein Herzschlag wieder beruhigte.
»Es gibt immer ein Restrisiko, aber das wussten Sie«, meinte Maringer. »Selbst das SEK kann keine Kugel aufhalten.«
»Danke«, sagte Christopher, »ohne Sie wäre ich …«
Maringer winkte ab. Beide Männer blickten über das grüne Wasser der Isar, das gemächlich über das Wehr rauschte.
»Und das alles für eine Kassette«, murmelte der Kommissar gedankenverloren. Dann nahm er den Metallbehälter, stand auf und trat zu dem Unbekannten. »Brandstiftung, terroristische Aktivitäten am Flughafen, illegaler Waffenbesitz, Erpressung, versuchter schwerer Raub, Mordversuch. Der Richter findet sicherlich noch ein paar Delikte. Nehmen Sie sich für die nächsten zwanzig Jahre nichts vor.« Er hielt die Stahlkassette hoch. »Das Objekt Ihrer Begierde?«
Der Mann im Tarnanzug sah ihn abschätzend an. »Sie wissen ja gar nicht, was der Inhalt wert ist«, zischte er. »Sie sind ein kleiner Beamter, ein Nichts, ohne Visionen und Phantasie.«
Der Kommissar lächelte nur. Dann schaute er sich suchend um und deutete auf einen älteren, etwas untersetzten Mann im dunkelblauen Anzug, der zögernd näher kam. »Darf ich Ihnen Herrn Saul Pleaser von DeBeers vorstellen? Er war heute in der Maschine aus Moskau, sozusagen als persönliche Begleitung der Diamantensendung.«
»Und jetzt ist er hier, um seine Steine einzusammeln?«, fragte der Unbekannte mürrisch.
»Nein, er ist hier, um uns etwas zu bringen«, meinte Maringer und hielt die Hand auf. Pleaser nickte und überreichte dem Kommissar eilfertig einen kurzen Schlüssel mit Doppelbart.
»Sie werden gleich sehen.« Mit diesen Worten schloss Maringer die Kassette auf, erbrach die Siegel und öffnete den Deckel. Alle Köpfe reckten sich vor.
Die Schatulle war leer.
Wie ein Zauberkünstler steckte der Kommissar seine Hand in das Innere des Behälters, strich über die Stahlwände und zog sie wieder heraus. »Kein doppelter Boden, kein Trick, die Diamanten sind schon längst im Münchner Büro von DeBeers«, stellte er dann zufrieden fest.
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