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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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die junge Frau mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme. »Darrey aufhalten oder beseitigen. Alles, was er bei sich hat, zurückbringen. Von Neugier war nicht die Rede.« Sie senkte den Lauf der Maschinenpistole zum zweiten Mal. Einer der Soldaten versuchte verzweifelt, seine Waffe zu ziehen, aber er war zu langsam. Ein langer Feuerstoß riss beide Männer von ihren Füßen.
    Die junge Frau ließ die Waffe fallen, zog ihre hochhackigen Schuhe aus, nahm sie in die Hand und schürzte das Kleid. Dann begann sie fröstelnd, den Abhang hinunterzuklettern. Es roch nach Kordit und blühenden Bäumen. Warme Luft stieg aus dem Tal hoch.
    Bei den Toten angelangt, suchte sie nach dem Paket, das die beiden Soldaten aus dem Rucksack gezogen hatten. Endlich fand sie es, legte es wieder zurück, ergriff den schweren Ranzen und wuchtete ihn auf ihre Schulter. Dann ging sie durch das feuchte Gras langsam zurück zum Schloss, das festlich beleuchtet war.
    Darrey hatte den Zeitpunkt gut gewählt, dachte sie, während sie sich zwischen den Apfelbäumen durchschlängelte. Das Abschiedsfest der Gruppe Claessen vor dem allgemeinen Aufbruch war seine allerletzte Möglichkeit gewesen. Doch wohin wollte er, zu wem? Zu den Partisanen? Einfach nur in die Berge und das Ende des Krieges abwarten? Sich danach mit seiner Beute den Weg in ein normales Leben ebnen?
    Zum Glück hatte er sich verplappert, als er das letzte Mal mit ihr schlief. Sonst wäre er jetzt über alle Berge und das Wertvollste, das sie noch hatten, mit ihm.
    Als die junge Frau das Schloss fast erreicht hatte, trat ein Mann im weißen Smoking aus dem Schatten der drei Zypressen vor dem Gebäude und blickte ihr hinterher. Er zündete sich eine Zigarette an, dann machte er sich auf den Weg durch die Apfelplantage in die Richtung, aus der er die Schüsse gehört hatte. Es dauerte nicht lange, bis er auf die drei Leichen stieß. Er kniete nieder und durchsuchte kurz die Taschen Alphonse Darreys.
    Leer.
    Der Mann überlegte kurz, bevor er sich den Soldaten zuwandte. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er 45000 Pfund Sterling in den Händen. Ein Vermögen, genug, um für lange Zeit an einem stillen Ort zu leben, weit weg vom Krieg, und schließlich ganz unterzutauchen. Er betrachtete die Banknoten, zog sein Feuerzeug aus der Tasche, um sie im Licht der Flamme genauer zu prüfen, dann hielt er mit genau bemessenen Bewegungen die Flamme unter die Geldscheine und verbrannte jedes der Bündel minuziös, bevor er die Asche mit seinem Fuß im Gras verteilte. Danach blieb er noch einige Minuten stehen, lauschte ins Dunkel. Welches Ziel hatte Darrey gehabt? Wartete irgendwo jemand auf ihn?
    Suchend ging er weiter, quer zum Hang, in Richtung Wald. Dabei stellte er sich immer wieder die entscheidende Frage: Woher kannte Hanna den Fluchtweg Darreys? Und wieso wusste sie, dass er flüchten würde?
    Zweihundert Meter weiter bergauf lag ein schmächtiger, ausgemergelter Mann im feuchten Gras, setzte das Zeiss-Fernglas ab und rieb sich müde die Augen. Er fluchte leise in sich hinein. Darrey hatte es also nicht geschafft. Alle Anstrengungen waren umsonst gewesen. Frustriert schlug er mit der flachen Hand auf den Boden. Dann nahm er den Feldstecher und suchte erneut die Umgebung ab. Anscheinend hatte niemand die Schüsse gehört, und wenn doch, dann kümmerte sich kein Mensch darum. Schüsse waren in den Südtiroler Bergen rund um Meran seit einem halben Jahr keine Seltenheit. Es wimmelte nur so von Partisanen, die den verbliebenen deutschen Truppenteilen fast täglich kleine Scharmützel lieferten. So wagte sich die Wehrmacht schon lange nicht mehr auf die Berghöfe, die bereits alle in italienisch-antifaschistischer Hand waren.
    Die Partisanen hatten nur ein Ziel: die verhassten Deutschen aus dem Land zu werfen, um jeden Preis. Munition war kein Problem, die Nachschubzüge für die Heeresgruppe Süd rollten noch immer zahlreich über die Pässe. Das hatte dazu geführt, dass Munitionstransporte bei den deutschen Soldaten als Himmelfahrtskommando verhasst waren. Wer den Schlüssel zu einem Depot mit Patronen oder Handgranaten in der Tasche hatte, versuchte so rasch wie möglich, ihn wieder loszuwerden.
    Der ganz in Schwarz gekleidete Mann beobachtete durch das Fernglas, wie der Unbekannte im weißen Smoking sich langsam den Hang hinaufarbeitete. Als er genug gesehen hatte, richtete er sich auf und eilte zu seinem Wagen, den er unter den überhängenden Ästen geparkt hatte. Es war an der

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