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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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wieder freigab und die Kolonne sich in Bewegung setzte. Egon Zwingli beschleunigte mit einem ärgerlichen Gesichtsausdruck den SUV auf die erlaubte Höchstgeschwindigkeit und erweckte seine Navigation wieder zu Leben.
    Er hatte noch 29 Minuten bis zum Beau Rivage Palace.

11. April 1945,
Ötztal-Straße bei Habichen, Tirol/Ostmark
    Die zehn Kisten von der Ladefläche des Opels waren rasch umgeladen. Franz hatte den Magirus näher an den Abhang rangiert, um den Transportweg zu verkürzen und die Wahrscheinlichkeit von zufällig vorbeifahrenden ungebetenen Augenzeugen zu reduzieren.
    »Nimm die Waffen und Handgranaten mit, man weiß nie«, wies Paul Ernst an und begann, die Nummernschilder abzuschrauben.
    »Was machst du da?«, erkundigte sich Willi erstaunt.
    »Ich verwische unsere Spuren«, antwortete Paul. »Tauschen wir die Kennzeichen aus. Irgendwann werden sie uns im Lager vermissen, werden eine Suche nach dem Magirus einleiten, aber der fährt inzwischen mit den Kennzeichen des Opels. Verwirrungstaktik, die uns vielleicht ein wenig Vorsprung gibt.«
    »Und was, wenn uns die Feldgendarmerie aufhält?«, erkundigte sich Franz besorgt.
    »Grüßen und schießen«, murmelte Paul. »Eine Handgranate tut’s auch. Und dann Vollgas! Und sagt ja niemandem, was wir da hinten aufgeladen haben, sonst beseitigen sie uns alle und hauen mit den zehn Kisten selbst ab!«
    Willi hielt den Umschlag mit den Befehlen und den Pässen etwas unschlüssig in der Hand. Dann legte er sie auf die Rückbank des Magirus und trieb die anderen zur Eile an.
    »Was machen wir mit dem SS -Heini?«, erkundigte sich Franz.
    »Lass ihn am Steuer sitzen und mach alle Türen wieder zu. Verkehrsunfall, dumm gelaufen. Keine Fracht, keine Waffen, keine Papiere. Wer hat den Ring?«
    »Ich habe ihn eingesteckt«, meldete sich Paul.
    »Der Umschlag liegt auf meinem Sitz«, stellte Willi fest, »also nichts wie weg von hier. Da, Ernst, nimm die Generalstabskarte. Etwas zerrissen, aber brauchbar.«
    »Auf zum Bodensee!«, rief Franz und kletterte ins Führerhaus. »Machen wir uns auf den Weg.« Er wandte sich um und schaute den Freunden in die Augen. »Sind wir alle einer Meinung? Wenn sie uns erwischen, dann endet die Fahrt im Sarg.«
    »Alle für einen …«, sagte Ernst bestimmt.
    »… Einer für alle!«, antworteten die anderen drei im Chor.
    Als sie auf die Inntalstraße in Richtung Bregenz einbogen, wurde die Straße besser, der Verkehr allerdings dichter. Kolonnen von Wehrmachts- LKW rollten westwärts.
    »Wenn ich es richtig berechnet habe, dann sind es rund fünfzig Kilometer bis St. Anton am Arlberg«, verkündete Ernst, der die Fetzen der Straßenkarte auf seinen Knien zusammen puzzelte.
    »Das ist aber nicht unsere nächste Station«, wandte Paul ein, der die Pässe wie eine Trophäe in Händen hielt. »Wir brauchen dringend einen Fotografen, bei dem wir Passbilder machen können, sonst fliegen wir bei der ersten Kontrolle auf. Dann füllen wir die Pässe aus und erst danach können wir das erste Mal aufatmen. Bis dahin leben wir auf Abruf.«
    »Von ein paar Ausflügen nach Imst weiß ich, dass es da einen gibt«, erinnerte sich Willi, »den Josef Altmeyer. Er hat einen Ansichtskartenverlag und ein Fotostudio. Das wäre die nächste Möglichkeit, und Paul hat recht. Wir müssen so schnell wie möglich neue, gültige Papiere haben, sonst kommen wir in Teufels Küche. Bei einer gründlichen Kontrolle durch misstrauische Feldgendarmen können uns die Blanko-Pässe das Genick brechen, und wir enden vor einem Exekutionskommando.«
    »Wenn wir überhaupt so weit kommen«, murmelte Ernst und deutete nach rechts. »Da hinunter, über die Brücke geht es ins Zentrum.«
    Franz warf seinem Beifahrer einen Blick zu. Er bemerkte, dass die Hände von Ernst zitterten. Der stets etwas zappelige angehende Ingenieur aus Dresden hatte seit dem Flächenbombardement im Februar nichts mehr von seiner Mutter gehört. Obwohl er sich ständig einredete, sie lebe noch, so war er doch tief im Innersten überzeugt, nun auch das letzte Mitglied seiner Familie verloren zu haben. Ernsts Vater war bereits vor zwei Jahren an der russischen Front gefallen. Genauer Ort unbekannt. Kameraden hatten beim Heimaturlaub berichtet, er sei bei einem Angriff von einer Granate zerrissen worden.
    Wir sind alle mit unseren Nerven am Ende, dachte Franz, auch wenn der eine oder andere es besser überspielt. Da war Willi, der behütete Junge aus einer gutbürgerlichen Wiener Anwaltsfamilie,

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