Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
Vom Netzwerk:
kein Unglück«, sagte er, warf einen Blick nach draußen und fuhr dann seine Komplizen an. »Los jetzt! Wir sind jeden Augenblick da. Wir müssen aus diesem Zug verschwinden, und zwar mit dem Stock!«
    Der Mann, der Kronstein die Waffe vors Gesicht hielt, spannte nervös den Hahn. »Sie haben ihn gehört, Väterchen. Her damit!«
    Der alte Mann schüttelte resigniert den Kopf.
    Der Zug war fast zum Stillstand gekommen.
    Der junge Russe hob die Waffe …
    … da reichte Kronstein ihm den Stock mit den Worten: »Das wird Ihr Verderben sein.«
    Im nächsten Augenblick rissen die drei Männer die Tür auf, stürmten aus dem Abteil und drängten zum Ausstieg, an den erstaunten Reisenden im Gang vorbei, die sie fast umstießen. Wenige Sekunden später rannten sie über den Bahnsteig, sprangen über Koffer und hasteten am erstaunten Bahnhofsvorsteher vorbei aus der großen, ehrwürdigen Bahnhofshalle.
    Die Polizisten, die auf dem Vorplatz routinemäßig ihre Patrouille gingen, sahen ihnen kopfschüttelnd hinterher, wie sie zwischen den wartenden Droschken in Richtung des Kurbezirks verschwanden, jauchzend und tanzend wie die Kinder.
    Einer von ihnen hielt triumphierend einen Spazierstock in die Höhe.
    Der Zug nach Basel rollte nach einem kurzen Aufenthalt wieder an. Samuel Kronstein hatte keine Bewegung gemacht, war auf seinem Fensterplatz sitzen geblieben, nachdenklich und völlig ruhig. Er hatte weder um Hilfe gerufen noch sein Abteil verlassen und keinerlei Anstrengungen unternommen, um die Diebe zu verfolgen.
    Pjotr Solowjov war erschüttert und fassungslos. Er starrte Kronstein an, der sich mit unbewegter Miene in sein Schicksal zu fügen schien.
    Da lächelte der alte Mann plötzlich und sagte etwas, an das sich Solowjov sein ganzes Leben lang erinnern sollte: »Gott bewahre mich vor dummen Menschen.«

Wirtshaus Zur Brez’n,
Schwabing, München/Deutschland
    Christopher Weber war hin und weg, und das passierte ihm selten. Besser gesagt: so gut wie nie.
    Das Mädchen, das ihn seit nun fast zwei Stunden von der anderen Seite des Tisches anlächelte, war etwas ganz anderes, als was er bisher kennengelernt hatte. In seinen Augen war Bernadette Bornheim einfach unwiderstehlich. Sie war charmant, intelligent, manchmal ein wenig zerstreut, aber auf eine liebenswerte und anziehende Art, unaufdringlich gebildet und ansonsten genau das, was er seit Jahren gesucht hatte.
    Mit einem Wort – hinreißend.
    Chris schien es, als habe er bereits sein ganzes Leben vor der interessiert zuhörenden Bernadette ausgebreitet. Sie stellte die richtigen Fragen, zog die naheliegenden Schlüsse und machte die passenden Bemerkungen. Chris war fasziniert.
    Doch der Abstand blieb, sie waren immer noch per Sie. Denn es gab da ein Problem, mindestens eines, sagte sich Chris unentwegt, während er sich genussvoll durch Vorspeise, Hauptgang und Dessert gegessen hatte – Bernadette Bornheim war gut aussehend, reich, unabhängig, hatte einen Job in der Schweiz und wahrscheinlich nicht wirklich auf ihn gewartet. Studenten, die in einer Tiefgarage wohnten und sich meist von Second-Hand-Pizzas ernährten, Flugzeuge mit Koffern beluden und sich auf öffentlichen Parkplätzen sonnten, standen mit Sicherheit nicht auf ihrer Präferenzliste. Das Beuteschema der Mädchen aus sehr gutem Haus war wohl eher auf junge, erfolgsverwöhnte und karrieregeile Banker oder Rechtsanwälte, Ärzte oder Popstars ausgerichtet.
    »Verständlich«, murmelte Chris und leerte sein Bierglas.
    »Wie meinen Sie?« Bernadette sah von ihrem Pfannkuchen auf, für den sie sich nach dem Salat mit Hühnerstreifen entschieden hatte.
    »Ich philosophiere gerade über die Ungleichheit der sozialen Klassen mit besonderer Berücksichtigung der Fortpflanzungsstrategie zu Überlebenszwecken«, gab Christopher trocken zurück. »Oder anders ausgedrückt: Gleich und gleich gesellt sich gern. Meistens jedenfalls.«
    »Aber nicht immer«, erwiderte Bernadette achselzuckend und offensichtlich unbeeindruckt. »Manchmal ziehen sich auch Gegensätze an. Oder?«
    »Touché« , nickte Chris. »Wann fliegen Sie eigentlich wieder nach Basel?«
    »Voraussichtlich morgen Abend.« Die junge Frau runzelte die Stirn und schob dann ihren halbvollen Teller zurück. »Köstlich, aber zu viel. Wenn ich noch einen Bissen esse, dann platze ich bestimmt!«
    »Was ausgesprochen schade wäre«, meinte Chris ehrlich und schickte sein bestes Lächeln über den Tisch. »Sie haben mir in der letzten Stunde zwar ein Loch

Weitere Kostenlose Bücher