Falsch
in den Bauch gefragt, ich habe daraufhin ununterbrochen nur von mir erzählt, aber ich weiß so gut wie gar nichts über Sie. Was halten Sie davon, wenn wir den Spieß jetzt einmal umdrehen?«
Bernadette lächelte und nickte zustimmend. »Dann fragen Sie!«
»Name?«
»Bernadette Ludwiga Bornheim. Verspotten Sie mich nicht wegen des zweiten Vornamens, den habe ich meiner Urgroßmutter zu verdanken …«
»Alter?«
»Hey, so haben wir nicht gewettet!« Die junge Frau lachte. »Alt genug, um solche Fragen nicht zu beantworten.«
»Wo geboren?«
»In Shanghai. Meine Eltern wohnten damals dort, weil mein Vater eine leitende Position bei einem internationalen Bankhaus hatte. Danach zogen sie noch nach Tokio, Singapur und Hongkong, bevor sie nach München kamen. Ein Asiengastspiel, sozusagen …«
»Status?«
»Sie sind aber wirklich neugierig!«, wich Bernadette aus.
»Ich meine verheiratet, verlobt, verliebt, Single …« Chris ließ nicht locker.
»Ich habe schon verstanden«, grinste sie.
»Und?«
»Seit drei Monaten wieder Single und froh darüber, es zu sein. Mein Ex sah das bis vor einigen Tagen allerdings anders. Ich musste ihm den Kopf zurechtrücken und war deshalb auf dem Flug nach München wohl etwas durch den Wind … Zufrieden?«
»Beruf?«
»Lehrerin für geistig behinderte Kinder in einer Schweizer Privatschule.« Sie zögerte, und Chris hatte den Eindruck, als bedrücke sie etwas. Mit fahrigen Bewegungen zeichnete sie mit dem Fingernagel ein Muster auf die blaue Serviette. »Wie Sie sich vorstellen können, waren meine Eltern nicht begeistert darüber, weder über den Job noch über die Tatsache, dass ihre Tochter im Ausland arbeitet.«
Christopher runzelte die Stirn. »Muss ich das jetzt verstehen?«
Bernadette zuckte mit den Schultern. »Meine Eltern sind etwas … hm … besitzergreifend, wenn es um ihr einziges Kind geht. Sie hätten mich gern ununterbrochen in ihrer Nähe und würden am liebsten jeden meiner Schritte kontrollieren. Noch lieber wäre es ihnen natürlich, ich hätte einen standesgemäßen Verlobten und eine geplante Zukunft.«
Sie verstummte.
Chris wartete.
»Aber seit drei Monaten ist genau das Geschichte, meine Eltern sind daher etwas frustriert und noch unleidlicher. Manchmal muss ich mich heimlich vom Grundstück schleichen, um dem Katalog der bohrenden Fragen zu entgehen …« Der genervte Ausdruck im Gesicht der jungen Frau sprach Bände.
»Oje, und dann komme ich!«, seufzte Christopher. »Verzeihung, war keine Absicht. Aber die Sicherheitskameras machen den unentdeckten Abgang bestimmt nicht gerade leichter …«
Bernadette grinste spitzbübisch. »Man muss nur die Tricks und toten Winkel kennen, dann geht es schon. Wenn ich allerdings das Auto nehme …«
»Manchmal hat meine Tiefgarage vielleicht auch einen Vorteil«, meinte er nachdenklich, »obwohl ich nicht weiß, ob mein VW sich überhaupt noch bewegt.«
»Es war schon ein großer Schritt, endlich das Haus meiner Eltern zu verlassen und in die zweite Villa umzuziehen«, erinnerte sich Bernadette. »Der Bruder meines Vaters lebte da, bevor er vor zwei Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Er war Junggeselle, und so stand das Haus nach seinem Tod leer.«
»Ist es nicht ein wenig zu groß für Sie?«
»Viel zu groß«, gab die junge Frau zu. »Manchmal erdrückt mich die Leere.« Sie sah Weber an. »In Basel lebe ich in einer kleinen Wohnung unter dem Dach, Zimmerküche und ein paar Kräuter auf dem Fensterbrett. Da fühle ich mich wohl.«
»Lehrerin für geistig behinderte Kinder ist kein Allerweltsjob, eher eine Berufung«, meinte Christopher und sah sein Gegenüber mit schief gelegtem Kopf an. »Es muss Sie also mit Befriedigung erfüllen, sonst würden Sie ihn wohl nicht machen.«
Bernadette nickte. »Es sind Kinder mit verschiedenen Behinderungen, manchmal sind sogar Genies darunter, die aber andererseits Schwierigkeiten haben, sich die Schuhsenkel zu binden. Das Institut in St. Chrischona bei Basel ist mehr als neunzig Jahre alt, und ich bin nach dem Ende meines Studiums eher zufällig dort hingekommen. Wie so oft im Leben …«
»Und geblieben«, stellte Chris fest. »Auch, um Ihren Eltern zu entkommen?«
»Gut möglich«, gab Bernadette zu, »zumindest, um etwas Abstand zu schaffen.«
»Einfach ausziehen ist keine Option?«
Die junge Frau schüttelte energisch den Kopf. »Das würde meiner Mutter das Herz brechen. Nach meiner Geburt konnte sie keine Kinder mehr bekommen, und
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