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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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acht Schuss im Magazin und eine Patrone im Lauf. Vincente überlegte, wo er sie verstecken sollte, bis Alfredo wieder nach Hause kommen würde, da pfiff der Wasserkessel, und er steckte die Waffe in den Gürtel unter sein T-Shirt.
    Mit einem Becher frischen Kaffee in der Hand ging er zurück an den Tisch, nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher an. Die Frühnachrichten flimmerten über den Schirm. Streik gegen die Rentenreform in Frankreich, ein Bericht über die amerikanischen Superreichen und ein chinesischer Ministerpräsident, der den armen Ländern Hilfe versprach. In Neuseeland kämpften Freiwillige um das Leben von vierundzwanzig gestrandeten Walen.
    Vincente wechselte den Sender.
    In Mexiko hatte die Polizei einen Folterkeller der Drogenmafia gefunden, hundert Kilometer südlich der Hauptstadt. Nichts Neues, davon gibt es in Medellín auch jede Menge, dachte Vincente unbeeindruckt und zappte weiter zu einer Morgenshow, wo eine leicht bekleidete Moderatorin die neu angelaufenen Kinofilme vorstellte. Er nickte anerkennend und schlürfte zufrieden seinen Kaffee.
    Schließlich machte die äußerst hübsche junge Frau im Fernsehen einem älteren Herrn im Anzug Platz, der sich ernst und konzentriert an das Verlesen der lokalen Nachrichten machte. Mit einem frustrierten Kopfschütteln schaltete Vincente ab, stand auf und ging ans Fenster. Er öffnete die beiden Flügel und ließ die warme Luft hereinströmen, die bereits nach Diesel und Kanal roch. Sollte er Alfredo besuchen? Das Laufen würde ihm guttun.
    Er sah sich suchend um. Die Taube war verschwunden, und drei Stockwerke tiefer, auf der Straße, knatterten die Mopeds und Motorräder vorbei. Zusammengeflickte LKW s, haushoch beladen, schoben sich zwischen den geparkten Autos durch, nur Zentimeter von den Außenspiegeln entfernt, und hinterließen schwarze Wolken von Abgasen.
    Aus den Augenwinkeln sah Vincente einen glänzenden schwarzen Geländewagen, der mit viel Glück einen Parkplatz auf der anderen Seite der Straße ergattert hatte. Er blickte genauer hin. Fremde mit einem eleganten Wagen in La Cruz? Das Auto hatte er noch nie hier gesehen.
    Eine dunkelhaarige Frau stieg auf der Fahrerseite aus und schaute sich um. Dann kletterte ein etwas zerknittert wirkender junger Mann aus dem Fond, sprang auf die Straße und wies mit ausgestrecktem Arm auf das Gebäude, in dem Alfredo und Vincente wohnten. Der Mann, der als Letzter ausstieg, war wesentlich älter, aber irgendetwas an ihm sagte Vincente, dass man sich besser vor ihm in Acht nahm. Und sein Instinkt hatte ihn noch nie im Stich gelassen.
    Während der junge Mann sich auf die Kühlerhaube des Geländewagens setzte und wartete, überquerten der Ältere und die Frau die Fahrbahn und verschwanden im Haus. War es vielleicht der Besuch, auf den Señor Botero wartete?
    Vincente stürmte aus der Tür, lief die Treppen hinunter und nahm immer zwei Stufen auf einmal. Er flog geradezu nach unten, mit großen Sätzen, bog um die Ecke im ersten Stock und hätte fast die dunkelhaarige Frau umgerannt, die ihm entgegen kam.
    »Hey! Nicht so stürmisch«, rief sie aus und stützte sich an der Wand ab. Vincente lächelte entschuldigend. »Aber wenn du schon einmal da bist, dann kannst du mir sicher auch weiterhelfen. Ich suche einen gewissen Ernst Böttcher, einen alten Mann, der hier an dieser Adresse wohnen soll. Weißt du, wo?«
    Vincente machte ein paar Gesten in Gebärdensprache und deutete auf den Hof.
    »Oh«, meinte die Frau, »du bist stumm … Hm, bist du taubstumm?«
    Der Junge schüttelte den Kopf.
    »Sehr gut«, lächelte die Fremde, »dann kannst du mich verstehen, trotz meines brasilianischen Akzents. Wohnt Böttcher hier im Haus?«
    Vincente schüttelte den Kopf, zuckte die Schultern und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Er lief voran. Während er dem Weg durch den Garten folgte und die Zweige zur Seite schob, fragte er sich, wo der Mann war, der sie begleitet hatte. Doch dann hörte er die Stimme von Sparrow, der »Meuterei!« krächzte, und wusste mit einem Mal, wo er den Unbekannten finden würde.
    John Finch war nicht zum Lachen zumute. Das Gekreische in der Dunkelheit mochte ja vielleicht ein Vogel sein, dachte er, aber die Klinge an seinem Hals war echt und scharf geschliffen.
    »Es tut mir leid«, murmelte er auf Spanisch, ohne den Kopf zu bewegen, »ich hätte wohl nicht so einfach hier hereinplatzen sollen.« Er schluckte. »Ich suche einen gewissen Ernst Böttcher und dachte mir …«
    »Du

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