Falsch
den Ring. Bis Ende des Krieges waren dann zwischen sechzehn- und dreißigtausend Ringen, die Angaben schwanken hier stark, ausgegeben worden.«
»Sie sind ungewöhnlich gut darüber informiert«, musste Gruber gestehen.
»Es handelt sich bei diesen Dingen immerhin um äußerst gesuchte Stücke aus der Vergangenheit«, entgegnete Señora Valeria und legte den nun glänzenden Ring wieder auf die Glasplatte der Verkaufstheke, »und die sind mein Geschäft. Das Material ist 900er Silber, nicht punziert. Es halten sich zwar hartnäckig Legenden, wonach es auch einige wenige goldene Ringe gegeben haben soll, aber mir ist noch keiner untergekommen. Beginnen wir also mit der Außenseite. Den Totenkopf auf der Stirnseite mit den gekreuzten Knochen kennen wir als Symbol bereits von früher, etwa von den Kosakenregimentern oder den Piratenflaggen. Links und rechts sehen Sie einige Runenzeichen, die den Träger an die sogenannten ›germanischen Tugenden‹ erinnern sollen.«
Sie drehte sich um und griff in ein Regal an der Rückwand des Ladens, holte einen dicken Ordner heraus und schlug ihn auf. »Zu dem Ring kam ein Standardschreiben des Reichsführers- SS , in dem handschriftlich der Name des Empfängers und das Datum eingesetzt wurden«, erklärte sie, während sie suchend blätterte. »Ah, hier ist es ja. Der Text ist ganz interessant und lautet folgendermaßen: ›Ich verleihe Ihnen hiermit den Totenkopfring der SS . Er soll sein: ein Zeichen unserer Treue zum Führer, unseres unwandelbaren Gehorsams gegenüber unseren Vorgesetzten und unserer unerschütterlichen Zusammengehörigkeit und Kameradschaft. Der Totenkopf ist die Mahnung, jederzeit bereit zu sein, das Leben unseres Ichs einzusetzen für das Leben der Gesamtheit. Die Runen dem Totenkopf gegenüber sind Heilszeichen unserer Vergangenheit, mit der wir durch die Weltanschauung des Nationalsozialismus erneut verbunden sind. Die beiden Siegrunen versinnbildlichen den Namen unserer Schutzstaffel. Hakenkreuz und Hagall-Rune sollen uns den nicht zu erschütternden Glauben an den Sieg unserer Weltanschauung vor Augen halten. Umkränzt ist der Ring von Eichenlaub, den Blättern des alten deutschen Baumes. Dieser Ring ist käuflich nicht erwerbbar und darf nie in fremde Hände kommen. Mit Ihrem Ausscheiden aus der SS oder aus dem Leben geht dieser Ring zurück an den Reichsführer- SS . Abbildungen und Nachahmungen sind strafbar, und Sie haben dieselben zu verhüten. Tragen Sie den Ring in Ehren! Gez. H. Himmler.‹«
Señora Valeria klappte die Mappe wieder zu und stellte sie zurück. Georg Gruber lief ein Schauer über den Rücken. Es war, als habe der Ring eine Persönlichkeit erhalten, seine Bestimmung offengelegt.
Aber er verbarg immer noch sein Geheimnis.
»Kommen wir nun zur Innenseite.« Die Spezialistin drehte den Ring aufmerksam, zog ein Vergrößerungsglas aus einer der vielen Laden unter dem Tresen und untersuchte ihn akribisch. »Die Gravur war ebenfalls standardisiert. Auf die Buchstaben S.lb., was so viel wie ›Seinem lieben‹ heißt, folgte der Name des Trägers, dann die Unterschrift Himmlers und schließlich das Verleihungsdatum.« Sie sah Gruber nachdenklich an. »In diesem Fall ist es ein H. Claessen, das Datum ist der 2. 7. 43, und das ist hochinteressant.«
»Warum?« Der verständnislose Blick Grubers machte ihr klar, dass er die Bedeutung nicht erkannte.
Also fuhr sie fort. »Einen Tag zuvor, am 1. Juli 1943, verloren die Juden im Deutschen Reich jeglichen Rechtsschutz durch die Justiz und unterstanden ab da nur noch der Polizei. Gut möglich, dass dieser Claessen eine Rolle dabei spielte.«
»Aha«, murmelte Gruber. »Wenn ich Sie also richtig verstehe, dann wurde dieser Ring Anfang Juli 1943 einem SS -Angehörigen verliehen, als Dank oder Anerkennung oder Auszeichnung.«
»Mit diesem eingravierten Datum? Ein klares Ja!«
»Der Mann, der ihn erhielt, war also ein gewisser H. Claessen. Kann man sonst noch etwas dazu sagen?«
Señora Valeria dachte kurz nach. »Ja, es gibt noch eine Geschichte, die Sie kennen sollten. Die Produktion der Ringe, die in München erfolgte, wurde 1944 eingestellt, und Himmler ordnete die sichere Verwahrung aller zurückgeschickten und der noch nicht verliehenen Exemplare an. Sie wurden auf einem Berg nahe der Wewelsburg versteckt. Manche sagen in einer Höhle, deren Eingang man anschließend zusprengte. Die Ringe wurden auf jeden Fall nie wieder gefunden.«
»Haben Sie gesagt ›aller
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