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Falsch

Falsch

Titel: Falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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klappte das Etui zu und atmete tief durch. Das Gefühl der Hilflosigkeit ließ nach, die Bilderflut versiegte, der Terror klang ab. Stumm schob sie das Etui Finch zu, der ihr zunickte und es wie nebenbei in die Tasche seiner Jeansjacke steckte. Dabei fragte sich Fiona, ob es nicht besser wäre, jetzt und hier den Ring zu vernichten und ihrem Großvater zu sagen, sie hätten Gruber nie gefunden.

Hotel Diez,
Medellín/Kolumbien
    Als Major Llewellyn nach einem kurzen Arztbesuch und der damit verbundenen schmerzstillenden Spritze die elegante Lobby des Hotels Diez betrat, an die Rezeption ging und nach seinem Schlüssel verlangte, wurde ihm klar, dass er nun völlig auf sich allein gestellt war. Die drei Toten würden durch die Botschaft nach dem Abschluss der Untersuchungen nach London geflogen werden, die beiden Verletzten durften die Stadt nicht verlassen, und der Mann in der Intensivstation ging sowieso nirgendwo hin.
    Llewellyn war ab sofort ein Ein-Mann-Team.
    »Ich behalte nur mehr mein Zimmer, die Kollegen mussten bereits weiterreisen«, meinte er wie nebenbei zu der jungen Frau hinter der Rezeption, die daraufhin hektisch begann, in ihren Unterlagen zu kramen. »Stellen Sie das Gepäck aus den Zimmern bitte in Ihr Depot, ich kümmere mich später darum. Und schreiben Sie alles auf meine Rechnung.«
    »Selbstverständlich.« Die Rezeptionistin nickte erleichtert, schob Llewellyn ein Blatt zu und reichte ihm einen Stift. »Würden Sie bitte hier unterschreiben?«
    Der Lärmpegel in der spektakulären Lobby des Hotels mit den langen Bambusstangen vor den hohen Fenstern, den farbenfrohen Designermöbeln und den abstrakten Bildern an der Wand war beträchtlich. Nach und nach trafen die Jungen und die Schönen aus Medellín ein, Töchter und Söhne aus bestem und nicht so gutem Haus, die das Geld ihrer Eltern mit vollen Händen ausgaben und jeden Abend im Diez damit begannen, es unter die Leute zu bringen.
    Diez, Drinks, Dinner, Dance – das waren die vier D, die im mondänen Medellín einem nächtlichen Glaubensbekenntnis gleichkamen. Das stadtbekannte Restaurant, berühmt für seine kolumbianischen Spezialitäten und elitär teuer, war ebenso spektakulär eingerichtet wie das gesamte Designer-Hotel. Es lag im siebenten Stock, und so drängten sich bereits Trauben von hungrigen Menschen vor den Liften.
    Lewellyn fuhr in einem Nebel aus teuren Parfums in den sechsten Stock, umringt von einer durchgestylten, lachenden und zu laut plaudernden Gesellschaft, die sich auf die kulinarischen Genüsse freute. Er atmete auf, als er in den ruhigen Gang hinaustrat, den Lärm hinter sich ließ und die Liftkabine weiterfuhr.
    Aus den großen Fenstern bot sich ihm ein weiter Blick über die Millionenstadt, in der nach und nach die Lichter angingen. Der Major war nach dem Gespräch im Konsulat verunsichert. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Wie viel Lüge und wie viel Wahrheit hatte er gehört? Was war im Schatten geblieben, ungesagt? Wie weit ging die Need-to-know-Basis?
    Er gab sich einen Ruck und riss sich vom Anblick der Abenddämmerung los. Tief in Gedanken betrat er sein Zimmer und steckte die Schlüsselkarte in den dafür vorgesehenen Terminal. Einige gedämpfte Lichter im Raum gingen an, ein fremder Geruch irritierte ihn, und er fragte sich, ob der Rest des Parfum-Gaus im Lift noch immer in seiner Nase war. Aber vielleicht hatte auch nur das Zimmermädchen das Bett für die Nacht vorbereitet.
    Llewellyn war müde und erschöpft. Hoffentlich werde ich jemals so alt, wie ich mich fühle, dachte er, ging ins Badezimmer und schluckte zwei Schmerztabletten, die ihm der Arzt mitgegeben hatte. »Nehmen Sie die, bevor Sie schlafen gehen«, hatte der gesagt, »sonst werden Sie kein Auge zumachen.«
    Die Tabletten schmeckten bitter, und Llewellyn verzog das Gesicht. Er zog das neue T-Shirt aus, das er gekauft hatte, und betrachtete den Verband an seinem Oberarm. An einigen Stellen sickerte noch Blut durch. Mit dem T-Shirt in der Hand ging er zu dem futuristisch gestylten Kleiderschrank, der auch in ein Museum moderner Kunst gepasst hätte.
    »Sie sehen gar nicht gut aus.« Die Stimme mit dem ironischen Unterton kam vom riesigen Lehnsessel, der vor der Panoramascheibe stand.
    »Jesus, haben Sie mich erschreckt«, gab Llewellyn ruhig zurück und zog ein frisches Hemd aus dem Schrank. »Sie sollten das Aftershave wechseln, es riecht aufdringlich.«
    »Lassen Sie Jesus aus dem Spiel. Der ist tot und begraben, der liebe Gott

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