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Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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dass sie auf Wachen
verzichten. Und sie halten uns für blöd.“
„Was weißt du. Sie haben Automaten.“
„Ich versuch’s, Dagmar, warte hier! Sollte etwas sein – dann
gehst du allein.“ Ich schwang mich auf die Rampe.
„Igor bleib!“ Sie rief es unvorsichtig laut, beschwörend, voller
Angst. „Was willst du denn noch dort?“
Ich reagierte nicht, drückte mich an die Wand und schob
mich ins Innere.
    Ich hatte den Eindruck, als wäre der Flug in der Halbkugel in
nordwestliche Richtung erfolgt, also steuerten wir zunächst
westwärts. Glücklicherweise wurde es eine klare Nacht, und wir
orientierten uns am Polarstern.
    Zuerst hatte ich den Kahn langsam aus der Bucht geschoben,
indem ich mich ins Wasser begab, fast untertauchte und mich
bemühte, nicht zu plätschern.
    Dagmar hatte sich im Boot lang hingestreckt.
Schon etliche Meter vom Ufer entfernt, drehte ich mich um.
Nur mit Mühe konnte ich einen helleren kompakten Körper,
jenes fremde Schiff, aufragen sehen. Die Lichtung lag friedlich
da, irgendwo heulte ein Hund. Nichts deutete darauf hin, dass
sich hier vor wenigen Stunden Gräuliches abgespielt hatte.
Wohin verkrochen sie sich? Nicht der geringste Lichtschimmer
verriet die Anwesenheit von Vernünftigen. Vernünftigen! Bitter
kam es mich an.
Dann schob sich Wald zwischen uns und die Lichtung, und wir
konzentrierten uns auf die weitere Fahrt. Ob wir uns noch im
Gefahrenbereich befanden oder nicht, wer sollte das beurteilen.
Ich zog mich in das Gefährt und begann zu rudern, bemüht,
selbst kleinste Geräusche zu vermeiden. Aber ich brauchte auch
die Bewegung. Noch immer war ich nackt, und es würde eine
kalte Nacht werden.
Über dem Wasser lag Dunst, doch der dunkle Uferstreifen ließ
sich ausmachen, und im Kahn, zu meinen Füßen, schimmerte
weißlich die Kanone. Ich hatte sie in einem Anflug von
Tollkühnheit aus der Halbkugel, die mich und
jenen
unglücklichen Weber hergebracht hatte, herausgeholt. Es hatte
mich Schweiß gekostet, bis ich den einfachen Mechanismus
entdeckte, der die Waffe vom Chassis löste.
Allerdings, zunächst konnte ich nur vermuten, dass es ein
Blitzwerfer war, der da zu mehreren Exemplaren auf Sockeln an
der Wand gestanden hatte, an der er durch eine rohrähnliche
Verbindung befestigt war. Kabel, die gewiss zur automatischen
Steuerung führten, hatte ich abgerissen.
Dagmar hatte unter der Rampe Todesängste ausgestanden. Sie
unterließ alle Vorwürfe, wenngleich sie von der Nützlichkeit des
Beutestücks keineswegs überzeugt war.
Ich ruderte schweigsam, erst nach längerer Zeit begannen wir
eine geflüsterte Unterhaltung, die sich in Mutmaßungen erging
über den einzuschlagenden Kurs. Wir wurden uns darin einig,
dass wir uns höchstwahrscheinlich in einem Gebiet bewegten,
das von den Fremdlingen kontrolliert wurde, sofern ein solcher
Begriff überhaupt zutreffend sein sollte; dann, schätzten wir das
richtig ein, mussten unsere Einheiten südwärts liegen, und dort
hatte man uns
vom Fluss weggeholt. Waren sie weiter
vorgedrungen, war der Ort von unseren Truppen geräumt?
Wir hielten uns unweit der schwarzen Uferzone, nahmen an,
wenn sich die Fremdlinge bewegten, dann in der Luft, und da
wäre ein Kahn inmitten des Sees sicher schnell auszumachen.
Später ruderte ich kräftiger, auch wenn ab und an ein Riemen
platschte.
Die nördliche Uferlinie wuchs auf uns zu, und wir begannen
uns bereits Sorgen zu machen, wie wir nachts wohl im Wald
vorankommen würden, als wir feststellten, dass ein Fließ aus
dem See hinausführte, in fast genau östliche Richtung. Nach drei,
vier Kilometern, ich spürte Blasen an den Händen von der
ungewohnten Tätigkeit, wichen die Ufer zurück, wir befanden
uns erneut in einem offenen Gewässer, bogen nach Südwesten
ab, parallel zur schwarzen Silhouette des Waldes.
Ich fühlte mich erschöpft, beide hatten wir unbändigen
Hunger, und obwohl ich mir von Dagmar einige entbehrliche
Kleidungsstücke um die Schultern gehängt hatte, fror ich mit
Fortschreiten der Nacht immer unerträglicher.
Später ließen wir den Kahn über weite Strecken treiben,
kuschelten uns aneinander, um uns gegenseitig zu wärmen. Dann
mussten wir staken, weil Schilf die Uferzone durchwucherte und
die Fahrt zum Stillstand brachte.
Ein erster fahler Schein kündigte den neuen Tag an. Einzelne
Vögel erwachten, schrien, zwitscherten, vereinigten sich zu
einem Begrüßungschor, und es schien, obwohl die Temperatur
um keinen Deut stieg, als wäre die

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