Falsche Väter - Kriminalroman
Geschichte nichts mehr zu tun haben!«
»Hast du aber.«
»Was willst du damit sagen?«
»Dass die alten Geschichten nicht vergessen sind. Du kannst die
Hütte verkaufen, abreißen oder von mir aus auch anzünden. Das ändert nichts.«
»Mal ehrlich! Warum hast du mich angerufen, Hubert?«
»Ich bin auf deine Hilfe angewiesen.«
»Inwiefern? Kannst du deinen Anteil für Anna nicht mehr aufbringen?«
»Ich habe Sonja schon lange nichts mehr überwiesen.«
»Wie bitte?«, fragte Winkens entsetzt. »Habe ich das richtig
verstanden? Du hast selbst nicht gezahlt und zudem unser Geld kassiert?«
»Du weißt doch ganz genau, dass Jutta mich letztes Jahr verlassen
hat. Sie hat immer das Geschäftliche erledigt. Ihr gehört der Reiterhof.
Seitdem sie weg ist, verlangt sie eine Pacht, die ich nicht aufbringen kann.
Sie will mich fertigmachen.«
»Und deshalb hast du unser Geld unterschlagen? Das kann doch nicht
wahr sein!«
»Ist es aber. Und ich brauche noch mehr. Ziemlich schnell und ziemlich
viel.«
»Soll das ein Erpressungsversuch sein?«
»Nenn es, wie du willst. Ich stecke in der Klemme, und ich finde,
dass du mir aus der Patsche helfen könntest. Aus alter Verbundenheit sozusagen.
Lass es dir durch den Kopf gehen, Johannes. Und ruf mich in den nächsten Tagen
an. Sonst sehe ich mich gezwungen, Kontakt zur Presse aufzunehmen.«
Johannes Winkens legte das Telefon auf der Schreibtischplatte ab. Er
hatte Hubert Moelderings nie besonders gut leiden können. Das war schon während
der Studienzeit so gewesen. Aber Moelderings hatte immer wie eine Klette an ihm
gehangen. Deshalb hatte Winkens auch immer das Gefühl gehabt, dass die alten
Geschichten ihn verfolgten. Jetzt sah es ganz so aus, als würden sie ihn bald
einholen.
* * *
Es war Sonntag. Carsten Peters blies den Rauch der Roth-Händle an
die fleckige Decke und sah zu, wie der Luftstrom ihn durch das gekippte Fenster
nach draußen sog. Er war nicht sonderlich zufrieden mit sich und der Welt. Wenn
er nicht bald brauchbare Ergebnisse vorweisen konnte, würde ihm die Leitung des
Falls womöglich entzogen werden. Dann konnte er sich wieder mit Kleinkram
herumschlagen. Oder, was vielleicht noch schlimmer war, andere würden sich in
seine Angelegenheiten einmischen. Leute, die von außen kamen, angeblich um ihn
bei den Ermittlungsarbeiten zu unterstützen. Irgendwelche Schlaumeier aus
Krefeld, Duisburg oder Essen. Leute, die Schimanski-Jacken und Cowboystiefel
trugen, sich für Weltmeister oder Tatort-Stars hielten, nur weil in ihrem
Bezirk mehr Straftaten verübt wurden, als sie aufklären konnten. Die Typen
waren meist unerträglich arrogant und unsäglich kollegial. Aber am schlimmsten
fand Peters, dass sie permanent über den linken, unteren Niederrhein
schimpften, weil das ihrer Meinung nach der Arsch der Welt war, eine Gegend, wo
jede Menge tote Hunde begraben lagen.
Peters schlug die Akte auf. Der Umschlag war schon ein wenig
zerknittert, obwohl es nicht viel Neues gab. Fest stand, dass Theo Grossmann am
Donnerstagnachmittag zur Hütte gefahren war. Er hatte sich mit Alkoholvorräten
eingedeckt. Seine Frau hatte ihm geholfen, die Sachen ins Auto zu tragen. Sie
wusste von den sporadischen Exzessen ihres Mannes. Ihren Angaben zufolge trank
ihr Mann erst seit wenigen Monaten. Angeblich war ihr nicht bekannt, dass er
regelmäßig Kontakt zu Anna Lechtenberg hatte, und schon gar nicht, dass er sie
an diesem Tag aufsammeln und mit ihr zur Hütte fahren wollte.
Die beiden waren häufiger dort gewesen. Dennoch stritt das Mädchen
ab, dass es sich um ein Liebesverhältnis gehandelt hatte. Sie behauptete, die
Beziehung zu dem Bekannten ihrer Mutter sei unverfänglich gewesen. Zuneigung,
Freundschaft, mehr nicht. Über Jahre habe sie sich immer wieder mit Theo
Grossmann getroffen. Er sei nach Krefeld gekommen, habe mit ihr einen Einkaufsbummel
gemacht oder sie seien Eis essen gegangen. Wahrscheinlich hatte sie in
Grossmann einen Vaterersatz gesehen. Irgend so etwas. Und an diesem Tag sei er
plötzlich wie ausgewechselt gewesen. Ein anderer Mann sozusagen. Er habe sofort
nach ihrer Ankunft in der Hütte zu trinken begonnen und sich dann über sie
hergemacht. Sie habe es auf dem Handy festgehalten, sei dann geflüchtet und zu
ihrer Oma gefahren. Am nächsten Tag habe sie eine Freundin besucht, und die
habe sie mit Conrad van de Loo in Kontakt gebracht. Die Angaben waren überprüft
worden, und alles sah danach aus, dass Anna Lechtenberg die Wahrheit
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