Falsche Väter - Kriminalroman
Morde?«, fragte Peters. »Was glaubst du?«
»Ich glaube gar nichts. Ich weiß nur, dass eine Sonderkommission
gebildet wurde. Jemand aus Krefeld hat die Leitung übernommen. Das ist von oben
so bestimmt worden. Ich wollte es dir nur offiziell mitteilen, bevor du es von
den Kollegen erfährst. Nicht dass du wieder denkst, ich würde dir nicht
vertrauen!«
»Kann ich trotzdem an dem Fall weiterarbeiten?«
»Na klar. Du musst sogar! Du und Frau Fichte, ihr bildet jetzt ein
Ermittlungsteam mit besonderen Aufgaben. Wie die aussehen, überlasse ich euch.
Es sollen alle verfügbaren Kräfte eingesetzt werden, so ist die Order. Ihr seid
ziemlich nahe dran an der Sache. Hast du schon einen Verdacht?«
»Ich verdächtige grundsätzlich alle«, sagte Peters grimmig. »Das
mache ich immer so. Dann entgeht mir wenigstens keiner!«
»Wenn du neue Erkenntnisse hast, will ich augenblicklich davon
erfahren. Ich muss zwischendurch Meldung machen. Da muss was kommen. Sonst
denken die glatt, wir wären hier eingeschlafen.«
Peters ging in seine Kellergruft zurück. Mareike war da. Sie sah
frisch und ausgeschlafen aus. Sie lächelte, als sie Peters begrüßte.
»Was hast du mit meinem Bericht gemacht?«, fragte er.
»Ich sollte ihn doch korrigieren. Da habe ich ihn eben ein klein
wenig verbessert!«
»Und dabei deutlich gemacht, dass dieser Fall eine Nummer zu groß
für mich ist und mir über den Kopf wächst! Spinnst du?«
»Willst du arbeiten und ermitteln, oder hast du Lust, die Arbeit
anderer zu dirigieren und zu überwachen?«, fragte Mareike. »Als
Kommissionsleiter bist du doch total außen vor. Du sitzt nur noch am
Schreibtisch und musst die ganze Fahndungs-und Ermittlungsarbeit koordinieren.
Wir leben hier im Grenzgebiet, wahrscheinlich musst du dich also auch noch mit
unseren niederländischen Freunden kurzschließen. Du musst jeden Tag vor die
Öffentlichkeit treten und die Haie von der Presse füttern. Das ist der pure
Wahnsinn! Und …«
»Hör auf«, zischte Peters.
»… und wozu das alles? Nur um am Ende die vorbildliche Arbeit der
Polizei würdigen und zuversichtlich in die Kameras grinsen zu müssen. Das passt
doch wirklich nicht zu dir!«
»Ist ja schon gut«, sagte Peters. »Aber ich würde in Zukunft gern
vorher gefragt werden, wenn du so etwas in die Wege leitest.«
»Und was bringt das?«
»Selbstwertgefühl«, sagte Peters.
»Brauchst du so was?«
»Sieht so aus.«
»Dann will ich dir was sagen: Wir zwei klären diesen Fall! Wir ganz
alleine. Und dann ist der Tank deines Selbstwertgefühls, das anscheinend auf
Reserve fährt, wieder bis an den Rand gefüllt.«
»Weißt du, was mir an dir nicht gefällt?«, fragte Peters.
»Sag schon!«
»Dass du für mich mitdenkst!«
»Und? Denke ich falsch?«
»Nein«, sagte Peters. »Aber genau das könnte unser Problem werden.«
Irgendein Schlaumeier hatte der Sonderkommission den Namen
»Kormoran« gegeben, weil das der Vogel des Jahres war.
»Ich finde das ziemlich passend«, sagte Mareike. »Kormorane sind
gefräßige Tiere. Ich habe gelesen, dass sie den Fisch wieder auskotzen, wenn
sie genug gefressen haben. Und wenn sie sich richtig ausgekotzt haben, gehen
sie erneut auf die Jagd.«
»Bulimie im Tierreich, was!«
Es dauerte eine Weile, bis Peters einsah, dass Mareike ihm durch die
Manipulation des Berichts einen Gefallen getan hatte. Sie waren jetzt nur noch
zwei kleine Rädchen im großen Getriebe der Fahndungsarbeit, und die »Soko
Kormoran« war ihre Chance. Sie konnten in Ruhe arbeiten und mussten sich nicht
um den Kleinkram kümmern. Ein Tatortteam würde zusammen mit den Leuten von der
Spurensicherung die Hütte noch einmal auf den Kopf stellen und den Hochsitz
untersuchen. Die matschige Umgebung des Strohhaufens würde erneut nach Spuren
abgesucht werden. Spezialisten würden die Stelle umgraben, an der Moelderings
gelegen hatte. Sie würden wahrscheinlich auch den Sattel mitnehmen, auf dem er
zuletzt gesessen hatte. All das konnten sie jetzt getrost anderen überlassen.
Peters schaltete den PC an. Seine Augen brannten, während er versuchte, aus dem Wust der Meldungen, die
inzwischen eingegangen waren, etwas Brauchbares herauszufiltern. Es war immer
das Gleiche. Der Misthaufen überflüssiger Informationen wuchs unentwegt. Und
niemand war da, der diesen Mist beiseiteschaffte.
Noch immer hatte er sich keine Kladde zugelegt. Und nun, nachdem
Mareike seinen Bericht verfälscht hatte, nahm er sich vor, gar nichts mehr
aufzuschreiben.
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