Falsche Väter - Kriminalroman
Reiter war. Man muss nur ein wenig wie
ein schmieriger Bild-Reporter denken, dann liegt der Zusammenhang doch auf der
Hand.«
Mareike ging nicht auf seine blöde Bemerkung ein.
»Was meinst du?«, fuhr Peters fort. »Was will man damit andeuten,
wenn man einem Menschen Daumen und Zeigefinger abschneidet? Wozu brauchen wir
die am häufigsten?«
»Pinzettengriff«, sagte Mareike wie aus der Pistole geschossen.
»Kinder erlernen ihn in einer bestimmen Lebensphase. Seine Beherrschung ist ein
Indiz dafür, dass sich die taktilen Fähigkeiten altersgerecht entwickeln.«
»Den Pinzettengriff konnte Moelderings bestimmt. Und später? Was
machen wir mit Daumen und Zeigefinger?«
»Man führt sie an die Lippen, wenn es einem hervorragend geschmeckt
hat. Und soweit ich weiß, bilden die Italiener damit einen Kreis, wenn sie
andeuten wollen, dass alles in bester Ordnung ist.«
»Wir haben es doch nicht mit der Mafia zu tun«, sagte Peters. »In
England, Holland oder bei den Mongolen bedeutet das Zeichen sicher wieder was
ganz anderes. Ich glaube nicht, dass wir einen Ethnologen zurate ziehen
müssen.«
Mareike gab keine Antwort. Sie durchforstete weiter die Eingänge.
Immer wenn sie glaubte, etwas Interessantes gefunden zu haben, spitzte sie die
Lippen.
»Stört das eigentlich deinen Mann nicht?«, fragte Peters irgendwann.
»Was denn?«
»Dass du so viel arbeitest!«
»Warum sollte ihn das stören?«
»Weil ihr erst vor Kurzem geheiratet habt. Normalerweise ist man in
der ersten Zeit der Ehe noch ziemlich hungrig aufeinander.«
»Wir nicht«, sagte Mareike knapp.
»Und wieso nicht?«, hakte Peters nach.
»Weil wir eine Scheinehe führen.«
»Scheinehe?«
»Ja. Eine Ehe zum Schein. Wir haben nichts miteinander, aber es gibt
eine amtliche Bescheinigung vonseiten des Standesamtes.«
»Warum macht man so was?«, fragte Peters.
»Vielleicht weil man die Menschen gern hat.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ist doch ganz einfach«, sagte Mareike. »Du lernst einen
sympathischen Mann kennen. Er kommt aus dem Iran und soll zurückgeschickt
werden. Das würde sein Todesurteil bedeuten. Du willst nicht, dass dieser
Mensch sterben muss, nur weil es eine Diktatur gibt. Nur weil es Irrsinn ist.
Und deshalb heiratest du ihn, damit er in Deutschland bleiben und weiterleben
kann.«
»Hast du Geld dafür verlangt?«, fragte Peters.
»Nein. Ich habe nur von ihm verlangt, dass er mich in Ruhe lässt.«
»Und?«
»Bislang kann ich nicht klagen.«
»Du hast also einen falschen Mann«, sagte Peters nachdenklich.
»Es gibt auch falsche Väter.«
»Falsche Väter?«
»Gleiches Problem, andere Lösung«, sagte Mareike. »Wenn du als
Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis mit einer deutschen Frau ein Kind hast,
bist du nicht mehr vogelfrei. Das Kind sichert dir dein Bleiberecht.«
»Obwohl es nicht von dir ist? Die Vaterschaft ist doch heute nicht
mehr unsicher. Das lässt sich doch schnell überprüfen.«
»Wenn die Frau mitspielt, hat niemand ein Recht dazu. Dann ist es
kein Problem!«
»Müssen die Männer dafür bezahlen?« Peters rieb Daumen und
Zeigefinger aneinander.
»Das ist es!«, rief Mareike und sprang auf.
»Was denn?« Peters verstand jetzt gar nichts mehr.
»Deine Bewegung mit den Fingern! Mach das noch mal!«
Peters sah auf seine rechte Hand. Er rieb Daumen und Zeigefinger
aneinander. »Du hast recht«, sagte er. »Wir sollten uns die Kontoauszüge von
Hubert Moelderings besorgen.«
Mareike beauftragte einen Kollegen mit der Beschaffung der
Kontoauszüge, weil sie wusste, dass das jedes Mal mit einigem Aufwand verbunden
war. Das Bankgeheimnis hatte in Deutschland den gleichen Stellenwert wie das
Reinheitsgebot, und man musste schon gewichtige Gründe anführen, wenn man
wollte, dass es gelüftet wurde.
Dann nahm sie sich die Sachen vor, die in Moelderings Haus
sichergestellt worden waren. Moelderings hatte seine Pferde anscheinend über
alles geliebt. Es gab ein Dutzend Kladden, die genaue Beschreibungen der Tiere
enthielten, ihre Abstammung, Herkunft und Lebensgeschichte. Die Preise und
Auszeichnungen, die sie errungen hatten, waren peinlich genau aufgelistet
worden. Zum Schluss hatte Moelderings jedes seiner Pferde charakterisiert.
»›Ein lieber Kerl, sehr verlässlich und sensibel‹«, las Mareike. »›Die Stute
mag es sehr, wenn man sie lange abduscht‹, ›intelligent und elegant‹, ›Ein
wenig scheu und nicht unbedingt ungeübten Reitern zu empfehlen‹.«
Natürlich fand sich auch ein
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