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Falsche Väter - Kriminalroman

Falsche Väter - Kriminalroman

Titel: Falsche Väter - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann-Josef Schüren
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hatte keinen Hausschlüssel dabei und schellte bei einer
Nachbarin. Der Türöffner summte; vom Treppenabsatz der ersten Etage schaute
eine Frau neugierig auf sie herab.
    »Was machst du denn hier?«, fragte sie.
    »Ich suche Mama«, sagte Anna tapfer.
    »Ach Gott! Du Ärmste! Deine Mutter wohnt nicht mehr hier. Sie hat
die Miete nicht bezahlt. Auch die Stadtwerke nicht. Ehrlich gesagt sind alle im
Haus froh, dass sie endlich weg ist. Seitdem du gegangen bist, ging es mit ihr
immer weiter bergab. Ich habe sie mindestens drei Mal im Flur gefunden. Sie hat
da geschlafen. War zu besoffen, den Schlüssel ins Schloss zu kriegen. Aber irgendwann
ist Ende, verstehst du? Irgendwann ist Schluss!«
    »Und wo ist sie jetzt?«
    »Keine Ahnung, wo sie sich rumtreibt. Irgendwo in der Stadt. Das
letzte Mal hab ich sie auf dem Platz hinter dem Hauptbahnhof gesehen. Sie sah
nicht besonders gut aus.«
    »Danke«, sagte Anna.
    »Und was machst du so?«, fragte die Nachbarin. »Ohne deine Mutter?
Genießt du die Freiheit?« Sie grinste und strich ihre Schürze glatt.
    »Ich ärgere mich, dass es Menschen wie Sie gibt«, sagte Anna. »Ich
habe Sie schon als Kind nicht leiden können. Heute weiß ich endlich, warum.«
    Sie drehte sich abrupt um und lief die Treppe hinunter. Van de Loo
folgte ihr. Als sie wieder im Auto saßen, kämpfte sie mit den Tränen.
    »Blöde Kuh!«, schniefte sie wütend. »So eine blöde Kuh!«
    Van de Loo fuhr mit ihr durch die Stadt. Sie suchten zuerst hinter
dem Hauptbahnhof, und van de Loo befragte ein paar Tippelbrüder, die sich auf
dem »Platz der Wiedervereinigung« zusammengefunden hatten.
    »Gestern«, sagte einer mit heiserer Stimme. »Gestern war sie noch
hier. Aber gestern ist nicht heute. Und heute ist nicht morgen.« Er lachte.
    Van de Loo fuhr weiter, ohne zu wissen, wohin. Dann hatte Anna eine
Idee. Sie lotste ihn zu dem Spielplatz, auf den ihre Mutter früher immer mit
ihr gegangen war. Die Spielgeräte waren verrostet, die Papierkörbe lange nicht
geleert worden. Der Sandkasten wurde anscheinend als Hundetoilette missbraucht,
und Kinder waren nicht zu sehen. Und dann entdeckte Anna ihre Mutter. Sie saß
zusammengekauert auf einer Bank, von Plastiktüten umrahmt, und schien zu
schlafen. Ihr Haar war zerzaust. Ihre Hände umklammerten die Tüten.
    Anna schob ein paar davon beiseite und setzte sich neben ihre
Mutter. Sie legte ihr den Arm um die Schulter und schaukelte sie sanft wie ein
Baby. Sonja hielt die Augen noch immer geschlossen, schien aber mitzubekommen,
dass keine Gefahr drohte. Sie hob langsam den Kopf, ohne die Augen zu öffnen.
Ihr Gesicht war geschwollen, Blutkrusten umrahmten das rechte Auge. Van de Loo
ging zu einer Schaukel und setzte sich auf das morsche Brett. Er verspürte
plötzlich eine wahnsinnige Lust auf eine Zigarette, obwohl er seit Jahren
Nichtraucher war.
    »Mama«, sagte Anna leise. »Mama!«
    Sonja Lechtenberg öffnete die Augen und sah ihre Tochter an.
    »Anna«, sagte sie. Es klang wie ein Krächzen.
    »Ja, Mama. Ich bin es.«
    »Was willst du? Warum bist du gekommen? Brauchst du Geld?«
    »Ach Mama«, sagte Anna. »Denk doch nicht gleich wieder, dass man was
von dir will!«
    »Alle wollen was von einem. Hast du das noch nicht mitgekriegt?«
    »Geht es dir gut?«, fragte Anna und nahm die Hand ihrer Mutter.
    »Ich lebe. Das siehst du doch.«
    »Wer hat das gemacht?« Anna ließ die Hand ihrer Mutter los und
strich sanft über die Blutkrusten am Auge.
    »Was denn?«
    »Dein Gesicht.«
    »Ich bin gestürzt!«
    »Das hast du früher auch immer gesagt, wenn dich einer verprügelt
hat«, schimpfte Anna. »Warum lässt du dir das alles gefallen?«
    »Dein Vater war vor ein paar Tagen da. Was soll ich denn machen? Er
ist einfach stärker.«
    »Mein Vater?«, fragte Anna. »Gibt es den überhaupt?«
    »Ja, aber den kannst du getrost vergessen. Er wurde vor Kurzem aus
dem Knast entlassen und hat nicht einmal nach dir gefragt. Er wollte nur Geld
und brauchte einen Unterschlupf. Weiß der Teufel, warum ich ihm ausgerechnet
den Tipp mit der Hütte gegeben habe.«
    »Theo Grossmann ist tot«, sagte Anna, ohne weiter nach ihrem Vater
zu fragen.
    »Na und? Wir sterben doch alle.«
    »Onkel Theo«, sagte Anna. »Erinnerst du dich nicht an ihn?«
    »Meinst du, ich wäre verrückt geworden? Natürlich erinnere ich mich.
Einer von der Viererbande. Tot, sagst du? Komisch. Ich glaub, das hat mir schon
jemand erzählt. Der kann doch noch gar nicht so alt sein. Ein Autounfall?«
    »Er

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