Falsches Blut
verkniff es sich jedoch und schloss die Augen.
» Niemand wird unserer Tochter etwas tun « , sagte sie.
» Und es wird nichts passieren « , bestätigte ich.
Hannah griff wieder nach der Pfanne. » Gut. Kümmere du dich um die Dinge, die du erledigen musst. Wir gehen solange ins Kino. «
Ich blieb noch einen Moment stehen und suchte krampfhaft nach den passenden Worten– irgendetwas, um Hannah zu beruhigen. Doch mir wollte einfach nichts einfallen. Deshalb legte ich ihr nur stumm die Hand auf die Schulter und drückte sie. Hannah schloss ihre Finger darum und erwiderte die Geste. Ihre Hand war nass und glitschig vom Spülmittel, dennoch hatte die Geste etwas Tröstliches. Ich wischte meine Hand an der Hose ab und ging hinaus zu meinem Wagen. Derjenige, der meine Familie bedrohte, würde sehr bald erfahren, dass das eine ganz schlechte Idee war.
9
Ich fuhr schnell. Nach einer halben Stunde hatte ich den Vorort erreicht; zehn Minuten später bog ich auf den Parkplatz vor einem modernen Betongebäude mit einer überwucherten Zedernholzpergola vor dem Eingang. Ich stieg aus und öffnete die Tür. Kühle Luft wie in einer Wurstfabrik schlug mir entgegen, und es roch erdig, aber sauber. Ich ging an den ausgestellten Blumen und Zimmerpflanzen vorbei bis zu einem hüfthohen Tresen mit einer Registrierkasse, hinter dem ein Teenager hockte und in einem Psychologielehrbuch las. Auf einem Tisch neben ihm waren mehrere Hefter und gerahmte Fotos von Brautsträußen arrangiert.
Ich räusperte mich. Der Junge griff genervt nach einem dicken Hefter und knallte ihn auf den Tresen, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen.
» Suchen Sie sich aus, was Sie haben wollen; dann füllen Sie das Formular aus « , sagte er.
Ich runzelte die Stirn. » Was? «
Auch jetzt sah der Junge keinen Anlass, den Blick von seinem Buch zu lösen. » Schlagen Sie einfach den Hefter auf. Dann suchen Sie sich die Blumen raus, die Sie haben wollen, und füllen das Bestellformular aus. Die Vordrucke sind ganz vorn. So schwer kann das ja wohl nicht sein. «
Ich beugte mich vor und riss dem Kerl das Buch aus der Hand. Er fuhr zusammen, machte jedoch keine Anstalten, mich daran zu hindern. Ich knallte das Buch auf den Hefter und lächelte ihn an. » Sieht aus, als wären Sie nicht ganz bei der Sache « , sagte ich und deutete mit dem Kinn auf das Buch. » Vielleicht sollten Sie das Ding besser weglegen, wenn Sie sich mit mir unterhalten. «
Der Junge starrte mich ungläubig und mit offenem Mund an. » Von mir aus. Also, was wollen Sie? « , fragte er schließlich.
» Jemand hat meiner Tochter Blumen geschickt, und ich will herausfinden, wer das war. «
Der Kerl schnaubte abfällig und griff nach seinem Buch. » Wahrscheinlich jemand, mit dem sie vögelt. Aber leider geben wir diese Art Informationen nicht raus. «
Ich atmete durch die Nase aus und umklammerte die Tresenkante so fest, dass meine Fingerknöchel weiß hervortraten. Am liebsten hätte ich dem Typen das Buch erneut aus der Hand gerissen und damit auf ihn eingeprügelt. Stattdessen lehnte ich mich über den Tresen, worauf der Kerl instinktiv zurückwich.
» Meine Tochter ist vier Jahre alt, Sie Schwachkopf « , zischte ich und sah ihn düster an. » Wollen Sie Ihre Entscheidung vielleicht noch mal überdenken? «
» Eigentlich nicht « , erwiderte er, schlug sein Buch wieder auf und begann nach der Seite zu blättern, auf der er stehen geblieben war. Das gab mir den Rest. Ich ließ meine Hand vorschnellen und riss ihm das Buch abermals aus der Hand, wobei die Seite, die er aufgeschlagen hatte, in der Mitte zerriss. Für den Bruchteil einer Sekunde war der Junge starr vor Schreck, dann schoss ihm die Röte ins Gesicht, und er machte einen Satz nach vorn. Ich verpasste ihm mit dem Buch einen so heftigen Schlag aufs Ohr, dass der Einband durchknickte. Taumelnd wich er nach hinten, wobei er sich mit einer Hand das Ohr zuhielt und mit der anderen wild zu fuchteln begann. » He, was soll das, Mann? «
Statt einer Antwort griff ich neuerlich über den Tresen und riss das Telefonkabel aus der Wand, um zu verhindern, dass er den Notruf wählte. Er richtete sich auf und starrte mich schwer atmend an. » Ist ja schon gut « , stammelte er schließlich. » Ich suche Ihnen alles raus, was Sie wissen wollen. «
» Sehr gut « , sagte ich und ließ das Lehrbuch fallen. Es landete auf dem Tresen, schlitterte über die Kante und fiel auf den Boden. Ich sah seinen Adamsapfel hüpfen, als der
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