Falsches Spiel mit Hannah
Trotzdem hatte sie bestimmt eine Stunde lang nach den richtigen Worten gesucht. Es war ihr so wichtig, Myriam zu erklären, dass sie auch in Zukunft wieder Freundinnen sein konnten.
Es gab da nur ein winziges Problem. Hannah hatte nicht mit Myriam geredet, sondern mit ihrem eigenen Spiegelbild.
âHannah!â Das war ihre Mutter. âDu musst los, sonst kommst du zu spät zur Schule.â
Seufzend spülte Hannah die Zahnbürste aus und stellte sie zurück in den Zahnputzbecher. Sie streckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus. Ihr Gegenüber tat es ihr gleich.
Seit Anfang der Woche drückte sie sich um die Aussprache mit Myriam herum wie Washington um ein Vollbad. Aber heute würde sie mit Myriam reden, das hatte Hannah sich fest vorgenommen. Und was sie sich vorgenommen hatte, das schaffte sie auch, das hatte sie in Uwes Reitstunden gelernt.
Uwe brachte Hannah nämlich nicht nur das Westernreiten bei. Er stellte ihr ganzes Wesen auf den Kopf. Durch einfache Ãbungen und Aufgaben zeigte er ihr, wie sie ruhiger werden und ihre Gelassenheit auf Acapulco übertragen konnte. Neulich hatte er sie mit verbundenen Augen auf dem Appaloosa reiten lassen. Und danach hatte er Acapulco die Augen verbunden. âVertrauenâ, sagte Uwe, âist das A und O beim Reiten. Wenn dein Pferd dir vertraut und du deinem Pferd vertrauen kannst, dann habt ihr schon gewonnen.â
Hannah hatte ihm erzählt, dass Myriam für die Kingsize Ranch im Reining starten wollte. âObwohl sie es bisher nie trainiert hat?â, hatte Uwe skeptisch gefragt. âIch kann mir nicht vorstellen, dass Petersen sich auf so was einlässt. Aber ist ja auch vollkommen egal. Myriam kann reiten, was sie will, du trittst für die Sunshine Ranch im Trail an. Und gewinnst. Gegen wen auch immer. Alles andere interessiert uns nicht.â
So einfach war das für ihn.
Und so einfach erschien es plötzlich auch Hannah. Immerhin hatte Uwe ihr in drei Trainingseinheiten mehr beigebracht, als sie in den letzten vier Jahren gelernt hatte.
Sogar ihren Eltern war schon aufgefallen, dass sie sich verändert hatte. âDu bist ja wie ausgewechseltâ, hatte ihre Mutter gestern anerkennend bemerkt. âSo selbstbewusst und stark. Richtig erwachsen kommst du mir vor.â
âDas liegt nur daran, dass sie sich in den Reitlehrer verknallt hatâ, spottete Max.
âNa, wenn das der Effekt ist, dann solltest du dich auch schleunigst mal verliebenâ, entgegnete Frau Hoffmann lächelnd.
Als Hannah ihr Fahrrad vor der Schule abschloss, war ihr allerdings doch plötzlich flau im Magen. âIch muss dir was erzählen, Myriamâ, murmelte sie vor sich hin. âStell dir vor, bei diesem â¦â
âFührst du Selbstgespräche?â
Mist. Tori hatte sich unbemerkt von hinten genähert.
âNee, ich hab mir nur vorgenommen â¦â
Aber Tori redete schon weiter. âHast duâs schon gehört? Heute Nachmittag ist Flatrate-Day auf Kingsize.â
âWas heiÃt das denn?â
âMan zahlt fünfzehn Euro und kann dafür reiten, so lange man will.â
âAhaâ, machte Hannah. âUnd?â Sie überlegte, wie sie Tori am besten abschütteln konnte. Bevor sie ins Klassenzimmer kam und Myriam traf, wollte sie sich die Worte noch einmal ins Gedächtnis rufen, die sie sich zurechtgelegt hatte. Damit sie nicht aus Versehen alles verpatzte.
âDa gehen wir natürlich hinâ, erklärte Tori.
âWohin?â, fragte Hannah geistesabwesend.
âMann, hörst du mir nicht zu? Dieser Flatrate-Day ist die ideale Gelegenheit, den Feind kennenzulernen.â
âSo ein Quatsch!â Hannah sah Tori verständnislos an. âDas meinst du nicht ernst, oder?â
âWarum denn nicht?â
âAuf Kingsize ist Myriam. Und wenn sie uns sieht, dann weià sie sofort, dass wir nur gekommen sind, um die Ranch auszuspionieren.â
âNa und? Soll sie denken, was sie will. Sina â¦â
âIhr könnt meinetwegen machen, was ihr wolltâ, unterbrach Hannah sie. âIch komme auf gar keinen Fall mit. Myriam ist meine Freundin, falls du das vergessen haben solltest.â
Tori gab natürlich nicht so schnell auf. Sie redete auf Hannah ein, bis sie das Klassenzimmer erreicht hatten. Erst als Hannah ihren Rucksack unter ihre Bank schob, lieà Tori von ihr ab und verzog sich auf ihren eigenen
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