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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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blieb jedoch auf den Garten und den Bogengang voller Blätter geheftet. Andere waren mit großen Hoffnungen von hier weggegangen, sie waren mit dem Segen des Maestro gegangen, nur um dann geschlagen wiederzu-kehren.
    Doch als er hörte, wie der Maestro näher kam, als ihm verschwommen bewußt wurde, daß der Maestro beunruhigt und bedrückt war, da kam Tonio plötzlich ein ganz anderer Gedanke.
    Was war, wenn sein Debüt ein Triumph wurde? Was war, wenn es genauso wurde, wie er es sich vorstellte? Wenn ihm das Publikum zu Füßen lag, er Beifallsstürme erntete. Nur eine Sekunde lang stellte er sich vor, daß es vorbei und geschafft war, ein unanfechtbarer Sieg. Er sah, wie sich von diesem Augenblick an eine Straße vor ihm ausbreitete, eine Straße, die das Leben selbst war.
    Es war das Leben, das sich da vor ihm ausbreitete, und ihn packte höchstes Entsetzen.
    »Großer Gott«, flüsterte er, aber der Maestro hörte ihn nicht.
    Er hatte sich ja selbst nicht einmal gehört. Tonio schüttelte leise den Kopf.
    Der Maestro berührte ihn an der Schulter. Während Tonio sich umdrehte, erlaubte er sich, von seinem geheimen Ich getrennt zu werden. Er blickte dem Maestro ins Gesicht.
    Der Maestro war beunruhigt.
    »Bevor du gehst«, sagte der Maestro entschlossen, »müssen wir noch miteinander reden.«
    »Reden?« Tonio wurde unsicher. Es war so schwierig, Lebewohl zu sagen. Was wollte der Maestro noch? Und dann war da auch noch Paolo. Tonio wußte, daß er Paolo nicht hierlas-sen konnte.
    »Ich habe dir einmal erklärt«, sagte der Maestro, »daß ich wüßte, was man dir angetan hat.«
    »Und ich habe Ihnen erkärt«, erwiderte Tonio hastig, »daß Sie das nicht wüßten.« Er spürte in sich den alten Zorn aufsteigen und bemühte sich, ihn zu unterdrücken. Er empfand für diesen Mann jetzt nur noch Liebe.
    Doch der Maestro fuhr fort.
    »Ich weiß, warum du dich all diese Jahre gegenüber jenen, die dich hierhergeschickt haben, so geduldig gezeigt hast...«
    »Das können Sie gar nicht wissen.« Tonio bemühte sich, höflich zu bleiben. »Warum bedrängen Sie mich jetzt damit, wo Sie so lange geschwiegen haben?«
    »Ich versichere dir, ich weiß es, so wie esauch andere wissen. Glaubst du denn, wir sind hier alle dumm, glaubst du, die Intrigen auf der Bühne sind das einzige, wovon wir etwas verstehen? Ich weiß es. Ich habe es immer gewußt. Ich weiß auch, daß dein Bruder in der Republik von Venedig jetzt zwei gesunde Söhne hat. Außerdem weiß ich, daß du niemals Meuchelmörder nach ihm ausgeschickt hast. Im Veneto hat es nicht den kleinsten Hauch eines Gerüchtes über einen solchen Versuch gegeben. Dein Bruder hat stets ruhig schlafen können.«
    Die Worte prasselten wie Schläge auf Tonio herab. Drei Jahre lang hatte er mit niemandem darüber gesprochen. Es war eine Qual für ihn, anhören zu müssen, wie diese Worte in diesem Zimmer laut ausgesprochen wurden.
    Er wußte, daß sein Zorn ihn veränderte, und er entgegnete dem Maestro so kalt und schroff er konnte: »Hören sie damit auf!« beharrte er. »Ich möchte mit Ihnen nicht über diese Dinge reden.«
    Doch der Maestro wollte nicht aufhören.
    »Tonio, ich weiß auch, daß dieser Mann Tag und Nacht von einer Schar übelster Bravos bewacht wird. Man munkelt, daß sie sich immer, selbst in seinem eigenen Haus, in Rufweite befinden ...«
    Tonio bewegte sich auf die Tür zu.
    Aber der Maestro hatte ihn gepackt und zwang ihn sanft zum Bleiben. Eine Sekunde lang versuchte jeder von beiden stumm seinen Willen durchzusetzen, dann senkte Tonio, zitternd und wütend, den Kopf.
    »Warum müssen wir uns denn streiten?« fragte er leise.
    »Warum können wir einander nicht einfach umarmen und uns Lebewohl sagen?«
    »Aber wir streiten doch nicht miteinander«, sagte der Maestro.
    »Ich sage dir doch nur, daß ich weiß, daß du deinem Bruder auf eigene Faust nachstellen willst.« Er hatte seine Stimme zu einem Flüstern gesenkt und war Tonio jetzt so nahe, daß dieser seinen Atem auf dem Gesicht spüren konnte. »Aber dieser Mann wartet auf dich, wie eine Spinne auf ihre Beute wartet«, sagte der Maestro. »Und das Dekret der Verbannung, das über dich verhängt worden ist, hat ganz Venedig zu seinem Nest gemacht. Er wird dich zerstören, wenn du gegen ihn vor-gehst.«
    »Nichts mehr davon«, sagte Tonio. Er war jetzt so zornig, daß er seiner Stimme nicht mehr trauen konnte. Er sah jedoch, daß der Maestro gar nicht begriff, welche Wirkung seine Worte auf ihn

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