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Falsetto

Falsetto

Titel: Falsetto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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mit den Jubelrufen und dem Klatschen Tausender, die sich in einem dunklen Saal drängten, gefeiert wurde.
    Selbst im Ballett wurden die weiblichen Rollen von Männern in langen Röcken übernommen.
    Guido begriff, daß man, wenn man die Frauen aus dem Theater, das ja das Leben abbildete, vollkommen herausnahm, zwangsläufig einen Ersatz für sie finden mußte.
    Man brauchte etwas, das an die Stelle des Weiblichen trat. Es mußte etwas entstehen, das weiblich war. Somit waren die Kastraten nicht nur einfach Sänger, Schauspieler, Anomalien, sie waren zur Frau als solcher geworden.
    Und das wußten sie auch. Wie sie mit den Hüften wackelten, wie sie ihr hungriges Publikum zum Narren hielten und ver-spotteten. Guido fragte sich, ob Tonio das ebenfalls so sah oder ob es ihn unerträglich leiden ließ? Konnte er denn hier in dieser Stadt nicht erkennen, in welch gewaltigem Ausmaß eine Frauenrolle all seine Kräfte verstärken würde?
    Es war wirklich eine unglaubliche Ironie, überlegte Guido, während er sich diese Soprane anhörte. Da war jene Kunstfertigkeit, mit der er schon sein ganzes Leben lang vertraut war, hier jedoch war sie zu einer göttlichen Obszönität geworden, sinnlicher als das, was sie ursprünglich verkörperte.

    »Da haben meine Feinde einmal etwas, worüber sie reden können«, hatte der Kardinal in einem unbedachten Augenblick gesagt. Und er hatte recht.
    Guido seufzte. Er kritzelte ein paar Notizen in das Büchlein, das er stets in der Tasche bei sich trug. Er notierte sich Naturell, Gewohnheiten und geschmackliche Vorlieben jener, die er sah.
    Ihm war klar, daß Tonio am Neujahrstag auf der Bühne des Teatro Argentina als Frau auftreten mußte. Seine Stimme vermochte zwar die Aufmerksamkeit der Götter zu erregen, in Rom jedoch mußte er und er allein auch jene sinnliche Macht ausstrahlen, über die ein Kastrat in Frauenkleidern verfügte.
    Er durfte keinesfalls dulden, daß ein anderer junger Sänger, der auf der Bühne neben ihm stand, diesen Vorteil besaß, wenn er ihn nicht hatte. Es war unverzichtbar. Guido mußte sich durchsetzen.

    Er ging nach Hause.
    Er schrieb, bis ihm die Notenzeilen vor den Augen verschwammen und er nicht mehr wußte, was er da so hastig zu Papier brachte. Er hatte einen ganzen Stapel von Arien komponiert, für alle Gefühlslagen, alle Stimmen.
    Aber er hatte noch keine Handlung.

    Schließlich bat der Kardinal Tonio zu sich, damit er für ihn sang.
    Es war ein kleines Souper für nur etwa fünfunddreißig Personen. Am Tisch strahlten Kerzen, heitere Gesichter waren zu sehen, das Tafelsilber schimmerte, und in einer Ecke des Raumes stand ein Cembalo. Guido hatte Tonio nur eine einfache Arie gegeben, bei der dieser gerade ein Viertel seines Talents zeigen konnte. Jetzt sah er, während er Tonio am Cembalo begleitete, von der Tastatur auf und musterte die kleine Schar von Zuhörern.
    Tonios Töne kamen hoch und rein, es lag ein Anflug von Traurigkeit darin, so daß in der Unterhaltung die angemessenen Pausen entstanden. Hier und da drehte sich auch jemand um.
    Der Kardinal starrte seinen Sänger an. Seine Augen, deren merkwürdig glatte Lider in den äußeren Winkeln schräg nach unten verliefen, strahlten ein wenig.
    Obwohl er ständig abgelenkt wurde, verschlang dieser Mann alles, was sich auf seinem Teller befand. Der Art und Weise, wie er aß, haftete etwas unverhüllt Sinnenhaftes an. Er schnitt sein Fleisch in große Stücke, er trank den Wein in großen Schlucken.
    Dennoch war er so schmächtig gebaut, als würde er alles, was er zu sich nahm, sofort verbrennen. Hier verwandelte sich ein Laster anscheinend in eine Notwendigkeit.
    Als er das Mahl beendet hatte, stieß er sein langes Messer in die Tischplatte, so daß es aufrecht steckenblieb, umfaßte dann den Perlmuttgriff und stützte das Kinn darauf.
    Sein Blick war auf Tonio geheftet, und er wirkte wie jemand, der nachsann. Für seine Tischnachbarn war er eine angenehme Gesellschaft, insgeheim jedoch war er völlig in Gedanken versunken.

    Spätnachts saß Guido oft allein an seinem Schreibtisch, obwohl er zu müde zum Arbeiten war. Manchmal war er sogar zu müde, um sich auszuziehen und ins Bett zu gehen.
    Er wünschte sich, er könnte wie selbstverständlich neben Tonio liegen, aber die Nächte voller Umarmungen waren vor-
    über, wenigstens im Augenblick. Wieder verspürte er jene Angst, gegen die er sich in diesen fremden Räumen nicht wehren konnte.
    Dennoch empfand er ein unbestreitbares Vergnügen

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