Falsetto
Selbstverleugnung jetzt besser leben werde, da ich weiß, daß du solchen Schmerz empfindest.«
11
Tonio war vom Kardinal aus direkt zur Fechthalle gegangen, wo er sich nach der Adresse jenes Florentiners, des Grafen Raffaele di Stefano, erkundigte, der schon oft sein Fechtpartner gewesen war.
Es war dunkel, als er dessen Haus erreichte. Der Graf war nicht allein. Einige seiner Freunde, alle von ihnen offensichtlich wohlhabende Müßiggänger, speisten gerade mit ihm, während ein junger Kastrat in Frauenkleidern sang und auf der Laute spielte.
Es war dies eine jener Kreaturen, die Brüste wie eine Frau entwickelt hatten, und diese wurden überaus vorteilhaft vom Schnitt des kräftig orangefarbenen Kleides betont.
Auf dem Tisch standen geröstetes Geflügel und Hammel-fleisch, und die Männer, die dort saßen, zeigten die Aggressi-vität von Menschen, die tagelang ununterbrochen gezecht hatten.
Der Kastrat, der stolz eine lange und volle Haarpracht zur Schau trug, forderte Tonio auf, etwas zu singen, und erklärte, er sei es müde, immer nur von dessen Stimme reden zu hö-
ren.
Tonio starrte diese Kreatur an. Er starrte die Männer an. Er starrte den Grafen di Stefano an, der zu essen aufgehört hatte und ihn jetzt fast ängstlich beobachtete. Dann erhob sich Tonio zum Gehen.
Graf di Stefano eilte ihm jedoch sofort hinterher. Er gab seinen Freunden die Erlaubnis, die Nacht im Bankettsaal zu verbringen, wenn sie wollten, dann bat er Tonio die Treppe hinauf.
Als die Tür des Schlafzimmers verriegelt war, stand Tonio ganz still da und blickte den Riegel an. Der Graf hatte eine Kerze angezündet. In dem gleichmäßigen Licht, das jetzt das Zimmer erfüllte, war ein massives Bett zu sehen, dessen Bett-pfosten mit schweren Schnitzereien verziert waren. Im offenen Fenster hing riesig der Mond.
Das runde Gesicht des Grafen besaß eine geradezu manische Ernsthaftigkeit, seine glänzenden schwarzen Locken verliehen ihm ein fast schon orientalisches Aussehen, sein starker, rasierter Bart bildete eine regelrechte Kruste auf seinem Kinn.
»Es tut mir leid, daß meine Freunde dich beleidigt haben«, sagte er rasch.
»Deine Freunde haben mich nicht beleidigt«, antwortete Tonio ruhig. »Aber ich vermute, der Eunuch unten hat Erwartungen geweckt, denen ich nicht entsprechen kann. Ich möchte jetzt gehen.«
»Nein!« flüsterte der Graf fast verzweifelt. Sein Blick war merkwürdig glasig. Er ging auf Tonio zu, als würde ihn jemand dazu zwingen, kam so nahe heran, daß er ihn unvermeidlich berühren mußte. Dann hob er die Hand und ließ sie in der Luft ver-harren, während er die dicken Finger gespreizt hatte.
Er sah aus, als wäre er halb verrückt vor Begierde. So hatten weder der Kardinal noch der älteste und dankbarste von Tonios Liebhabern jemals gewirkt. Er besaß keinen Stolz. Er be-saß auch nicht den Hochmut jenes Arbeiters, den Tonio auf der Straße aufgelesen hatte.
Tonio streckte die Hand nach der Türklinke aus, dann aber flammte Leidenschaft in ihm auf und machte ihn leichtsinnig und nicht weniger verrückt als diesen Mann.
Er drehte sich wieder um und atmete tief aus, da packte ihn der Graf und drückte ihn gegen die Tür.
Es war außergewöhnlich, auf köstliche Weise außergewöhnlich, denn Tonio konnte sich nicht beherrschen. So lange hatte es den Anschein gehabt, als wäre er Herr über seine Leidenschaft! Sei es bei Guido oder bei irgendeinem anderen jener Liebhaber, die er sich ausgesucht hatte. Jetzt aber hatte er die Kontrolle verloren, wobei er sehr wohl wußte, daß er sich unter dem Dach des Grafen befand, in seiner Gewalt war, so wie er noch nie zuvor in der Gewalt irgendeines jungen und zügello-sen Liebhabers gewesen war.
Der Graf riß sich das Hemd vom Leib, fuhr sich dann mit der Hand in die Hose und öffnete sie. Seine dunklen Bartstoppeln taten Tonio tatsächlich weh, als er an Tonios Nacken herum-knabberte. Dann zerrte er fast wie ein Kind an Tonios Rock, löste seinen Degen.
Die Waffe fiel klappernd zu Boden.
Als der Graf sich dann mit seinem nackten Körper an Tonio preßte und das Stilett in Tonios Hemd spürte, ließ er es dort stecken. Er zog Tonio stöhnend an sich, sein steifes Glied war dick und an der Spitze gespalten.
»Gib ihn mir, laß ihn mich haben«, flüsterte Tonio. Er kniete sich hin, nahm das Glied in den Mund.
Es war Mitternacht, als Tonio sich zum Gehen erhob. Im Haus war alles still. Der Graf lag auf den weißen Laken, nackt bis auf die Goldringe am
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