Familie Zombie
auch in alten Kirchenbüchern. Da werden Sie bestimmt fündig. Davon bin ich sogar überzeugt.«
»Danke für den Rat.«
»Nichts zu danken. Man ist ja froh, wenn man mal jemand zum Reden hat. Da ist das Alter nicht ganz so einsam. Meine Kinder sind schon vor Jahren weggezogen, da lebte mein Mann noch. Sohn und Tochter sind verheiratet und wohnen jetzt in Glasgow.«
Wir standen neben meinem Wagen. Ich schlug Mrs. Sanders noch vor, sie nach Hause zu fahren, doch sie winkte ab.
»Nein, das ist zwar sehr nett, Mr. Sinclair, aber ich wohne nicht weit von hier. Wenn Sie hier herumfahren, müssen sie in eine schmale Gasse links einbiegen. Da wohne ich. Jetzt im Winter kann ich von meinem Dachfenster sogar bis zum Friedhof sehen. Da bilde ich mir immer ein, auf das Grab meines Mannes zu schauen.«
»Alles Gute. Vielleicht sehen wir uns ja noch.«
»Ach, Sie bleiben länger?«
»Mal schauen.«
Ich stieg wieder in meinen Leihwagen und schlug die Tür zu. Meine Gedanken drehten sich um Mrs. Sanders. Sie hatte einen Jungen gesehen, dessen Anblick sie zutiefst erschreckt hatte.
Warum hatte er sich ihr gezeigt? Etwa weil er etwas von ihr wollte? Vorstellbar war alles. Oder hatte man bereits entdeckt, dass jemand in der Stadt war, der sich um den Mordfall kümmerte? Wenn die Beschreibung zutraf, dann war der Junge kein normales Kind, und sein Verhalten stufte ich ebenfalls als sehr ungewöhnlich ein.
Duncan O’Connor hatte mir von dieser seltsamen Familie berichtet, die sich selbst umgebracht hatte. Vom Großvater bis zum Enkel. Und es hatte auch noch andere Zeugen gegeben. Sollte diese Sippe tatsächlich zurückgekehrt sein, dann hatte ich es mit einer Zombie-Familie zu tun.
Mit diesem Gedanken drehte ich den Zündschlüssel herum und fuhr an.
***
Es war alles wie immer. Abermals kam es mir vor, als wäre die Zeit seit meinem letzten Besuch hier stehen geblieben. Das galt auch für die Polizeistation. Sie befand sich im gleichen Gebäude. Nur eben hatte das Personal gewechselt. Ich rechnete damit, dass Duncan O’Connor ebenfalls in diesem Gebäude wohnte. Das war schon vor ihm so gewesen. Eigentlich hatten alle ›Polizeichefs‹ von Lauder über ihrem Büro gewohnt.
Ich ließ den Wagen langsam ausrollen. Wie immer war es in diesem Ort recht ruhig. Zumindest um diese Zeit. Das änderte sich in den Sommermonaten, wenn die wanderfreudigen Touristen herbeiströmten oder auch Camper, die ihre Verpflegung hier einkauften.
Zu dieser winterlichen Jahreszeit machte der kleine Ort wirklich einen fast ausgestorbenen Eindruck. Da waren die Einheimischen unter sich, und einige Geschäfte hatten sogar über die Wintermonate hinweg geschlossen.
Ich hatte den kleinen Ort schon vor der Renovierung gekannt. Man hatte dann etwas getan und für Neubauten gesorgt, an denen ich vorbeigefahren war. Auch sie waren ziemlich leer gewesen. Die Bewohner hier blieben wohl lieber zu Hause.
Ich ging mit langsamen Schritten auf die Polizeistation zu. Dabei konnte ich einen Blick durch die Scheiben werfen. Aber nur, wenn ich mich ziemlich reckte, da das Glas in der unteren Hälfte doch recht undurchsichtig gemacht worden war. Das rote Haar eines Mannes hatte ich trotzdem kurz gesehen.
Die Polizeistation war für jeden Besucher offen. Zu klingeln brauchte ich nicht. So nahm ich mir die Freiheit, sie ganz normal zu betreten. Es hatte sich auch hier nichts verändert, und doch war etwas anders geworden. Mir stieg der Geruch von frischer Farbe in die Nase. Man musste angestrichen oder renoviert haben.
Ich sah auch die nach oben führende Treppe in den privaten Bereich. Weiter vorn ging es zu den beiden Zellen, und die Tür des Dienstzimmers befand sich auch noch an der gleichen Stelle.
Ich klopfte kurz an, dann betrat ich den Raum.
Wieder erlebte ich den Trip in die Vergangenheit. Die gleichen Möbel standen auf einem Fußboden, der sich auch nicht verändert hatte, und nur der Computer war moderner geworden. Er stand auf einem Beistelltisch neben dem Schreibtisch, hinter dem Duncan O’Connor saß, den Kopf zur Tür gedreht hatte und mich anschaute.
Ich blickte ihn ebenfalls an und nahm die Veränderung in seinen Gesichtszügen wahr. Er konnte so schnell noch nichts sagen. Er lächelte nur und die Flaut in seinem Gesicht lief rot an.
Schließlich hatte er sich gefangen. »Mein Gott, eine Legende betritt mein Dienstzimmer.«
Mein Lachen klang sehr spontan. »Legende sagen Sie? Wie soll ich das sehen? Als ein Kompliment? Oder als einen
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