Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
wehmütig war, und zeigte ihr auf diese Weise seine Zuneigung. Gerührt kramte sie in ihrer Hosentasche nach einem getrockneten Apfelstückchen und reichte es ihm. Er riss es ihr aus der Hand und verschlang es sofort. Lachend streichelte sie seinen Kopf. In diesem Moment trat Nokoma aus dem Lazarett. Er hatte seinen Lederumhang abgelegt und trug nun ein geschecktes Ziegenfell, das er in zwei Streifen über seine Schulter gelegt hatte. Jella fiel erst jetzt sein geflochtenes und mit Perlen verziertes Haar auf. An einer der Perlen hing eine aufgeblasene Gallenblase.
» Also bist du doch ein Medizinmann«, stellte sie fest. Sie fragte sich nur, weshalb er sich dann als Hirte tarnte. Nokoma setzte sich neben sie auf die Bank und schwieg.
» Geht es Saburi besser?«, durchbrach sie ungeduldig die Stille.
» Saburi ist verflucht«, erklärte Nokoma ernst. » Der Sangoma ihres Dorfes hat Abathakathi angewandt.« Jella sah ihn fragend an.
» Abathakathi ist das Wissen um die dunklen Mächte und bösen Kräfte. Jeder Medizinmann kennt sie. Für die meisten sind sie tabu. Denn das Böse kennt keinen Herrn, sondern wendet sich auch gegen seine Verbündeten.« Er lachte bitter. » Saburi wird sterben, wenn sie Nuru nicht in ihr Dorf zurückbringt.«
» Das glaube ich nicht«, widersprach Jella aufgebracht. » Es geht ihr doch schon viel besser. Sie wird es schaffen!«
Der Alte schüttelte den Kopf. » Das Muti, das ich ihr gebe, wird nicht mehr lange seine Kraft behalten. Dann wird Saburi wieder krank werden.«
» Du meinst, ihr geht es nur besser, weil du sie behandelst?« Jella fuhr sich nachdenklich durch ihre kurzen rotgrauen Locken. Es war unbestreitbar, dass Nokomas Salbe die Heilung an Saburis Arm beschleunigt hatte. Ihr wissenschaftlicher Verstand weigerte sich immer noch, das zu akzeptieren. Andererseits war der Erfolg unbestreitbar. Ob der Alte ihr wohl das Rezept verraten würde? Aber das war jetzt zweitrangig. Zunächst mussten sie dafür sorgen, dass Saburis Zustand stabil blieb. Aus ihrer langen Erfahrung wusste sie, dass ihre Patienten nur von ihren körperlichen Leiden genasen, wenn die Seele das auch wollte. Aber auch Nokoma schien mit seinem animistischen Hokuspokus hier nicht weiterzukommen.
Er schien ihre Gedanken zu erraten. » Du begreifst, dass mein Muti gut ist?«
Jella zuckte mit den Schultern. » Ich glaube nur das, was ich sehe. Und bei Saburi hat dein Muti gewirkt. Ich erkenne also dein Wissen an.«
» Nein, das tust du nicht«, widersprach Nokoma. » Du weigerst dich, in die Welt der Ahnen zu blicken, obwohl ich an deinen Augen erkenne, dass du es schon einige Male getan hast.«
Sie sah ihn befremdet an. Er konnte nichts von der rätselhaften Verbindung zwischen Nakeshi und ihr wissen. Nicht einmal Fritz hatte sie jemals davon erzählt, dass sie manchmal Dinge erlebte, die mit einem gesunden Menschenverstand nicht zu erklären waren.
» Deine Ahnen haben schon lange zu dir gesprochen, nicht wahr?«, drang Nokoma weiter in sie. Er schien mehr zu wissen als sie. » Sie rufen dich, aber du willst sie nicht hören. Du kannst Saburi und Nuru retten. Stell dich den Prüfungen deiner Ahnen.«
» Woher willst du wissen, dass es so ist?«, stellte Jella die Gegenfrage. » Ich jedenfalls höre den Ruf meiner Ahnen nicht.«
Nokoma ließ sich nicht beirren. » Der Gott der Schlangen hat es mir gesagt. Ich werde dich führen, sobald du dich nicht mehr sträubst.«
» Heißt das, du zeigst mir, wie du deine Muti herstellst?«, fragte Jella nun doch interessiert.
Der alte Mann schüttelte ärgerlich den Kopf. » Du verstehst mich nicht. Wenn die Zeit reif ist, wirst du die richtigen Worte wählen.« Er stützte sich auf seinen Stab und erhob sich. » Ich werde wiederkommen und Saburi neues Muti bringen.« Bevor er im Busch verschwand, drehte er sich noch einmal kurz um. Jella glaubte in seinen dunklen Augen eine Spur von Enttäuschung zu erkennen.
*
Zwei Monate später
» Wie findet ihr diesen Hut?«
Ricky zog den blauen Filzhut mit der hochgezogenen Krempe tief in ihre Stirn. » Das ist in Berlin der letzte Schrei!«
» Ich finde, er sieht aus wie ein Blumentopf«, meinte ihre Mutter leicht genervt. » Willst du dich nicht endlich entscheiden?« Jella bereute es längst, dass sie sich hatte überreden lassen, mit ihrer Tochter und ihrer Schwiegermutter einkaufen zu gehen. Das Stadtleben behagte ihr schon lange nicht mehr, aber schließlich war nicht mehr viel Zeit bis zu Rickys Abreise, und da
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