Familien Saga Bd. 3 - Zauber der Savanne
er es in Wirklichkeit war.
» Nimm den Weg, der dir die Angst nimmt«, forderte er sie auf und begann in einer ihr unbekannten Sprache einen Gesang zu intonieren. Die Melodie war monoton und wiederholte sich in kurzen Abständen. Auch die Worte schienen immer dieselben. Jella erinnerten sie an Mantras, wie sie in Indien üblich waren. Sie wiederholten sich und wiederholten sich und wiederholten sich … Ihre Augenlider begannen durch den einschläfernden Sprechgesang immer schwerer zu werden. Sie fühlte eine angenehme Müdigkeit, die sie an ihre Kindheit erinnerte, wenn sie einen ganzen Sommertag lang durch die Blumenwiesen getobt war. Schließlich war ihr Bedürfnis nach Schlaf so groß, dass ihre Augenlider sich ganz senkten und sie in einen tiefen Schlaf versank.
Als sie erwachte, war die Sonne bereits aufgegangen und stand hoch am Himmel. Benommen, aber erfreulich erholt sah sie sich um. Sie war während ihres Schlafes zur Seite gekippt und lag immer noch wie ein Embryo gekrümmt am erloschenen Feuer. Nokoma war nirgends zu sehen. Sie lag auf einer kleinen Lichtung unter einem uralten Mankettibaum. Um seinen Stamm zu umfassen, hätte es bestimmt zwei ausgewachsene Männer gebraucht. Die fächerförmigen Wurzeln reichten bis weit in die Lichtung hinein. Ihre Glieder schmerzten, als sie sich aufsetzte.
» Nokoma?«, rief sie verwirrt. Niemand antwortete. Offensichtlich hatte sich der Medizinmann in aller Stille von ihr verabschiedet. Es war nicht das erste Mal, dass er plötzlich auftauchte, um dann ebenso schnell wieder zu verschwinden. Na, wenigstens habe ich so ein wenig geschlafen, dachte sie und beschloss, zurück zum Haus zu gehen. Ein merkwürdiges Geräusch in ihrem Rücken hielt sie jedoch davon ab aufzustehen. Jella wurde steif wie ein Stock, als ihr plötzlich klar wurde, was es sein musste.
Herrgott! Lass es bitte nicht wahr sein! Perlen kalten Angstschweißes bildeten sich auf ihrer Stirn, während sie langsam ihren Kopf in Richtung des zischelnden Geräuschs drehte. Direkt hinter ihr befand sich die größte Schlange, die sie jemals gesehen hatte. Die Python musste in den Ästen des Mankettibaums die Nacht verbracht haben und schien jetzt auf Futtersuche zu sein. Jellas Angst vor Schlangen hätte man durchaus als psychotisch bezeichnen können. Als ihre Tochter vor vielen Jahren in Indien von einer Kobra gebissen worden war, hatte der Schreck sie sogar in eine Art Agonie versetzt, die wochenlang angedauert hatte. Sie fühlte, wie auch jetzt eine rasch anwachsende Flutwelle von Panik in ihr hochzusteigen begann. Fieberhaft versuchte sie sich zu erinnern, was Fritz ihr über diese Tiere erzählt hatte. Aber das Einzige, was ihr dazu einfiel, war, dass die Schlangen ihre Opfer, die groß wie ein Kudubulle sein konnten, erwürgten. Der Gedanke reichte, um ihr Übelkeit zu verursachen. Doch anstatt das Heil in der Flucht zu suchen, blieb sie wie gelähmt sitzen. Sie war nicht fähig, sich auch nur einen Zentimeter von ihrem Platz fortzubewegen. Plötzlich stand Nokoma wie ein Geist vor ihr auf der Lichtung und betrachtete sie seelenruhig.
» Die, die Schlange …«, krächzte Jella halb wahnsinnig vor Angst.
» ER wird dir nichts tun«, erklärte der Medizinmann ungerührt. » Bleib ganz ruhig, und entspanne dich.«
Trotz ihrer misslichen Lage warf sie ihm einen bösen Blick zu. » Oh, ich bin so entspannt wie schon lange nicht mehr«, presste sie mühsam hervor. » Tu doch endlich was!«
» Er hat erst vor Kurzem gefressen.« Nokoma deutete auf eine Verdickung in der Mitte des riesigen Schlangenleibs. Dem Umfang nach musste das Tier mindestens eine ganze Antilope verschluckt haben. Die Auskunft beruhigte sie keineswegs. Sie fing an, unkontrolliert zu zittern.
» Ich habe fürchterliche Angst«, bibberte sie.
» Der Python ist der Gott der Schlangen«, erklärte ihr Nokoma. » Er hat erkannt, dass du einer von uns bist. Deshalb ist er gekommen, um dich von deiner Angst zu befreien.« Der Medizinmann machte immer noch keine Anstalten, ihr beizustehen.
» Dann sag deinem Gott, er möge sich verziehen«, flehte Jella halb wahnsinnig vor Angst. Diese Situation war mindestens ebenso schlimm wie ihre Albträume, nur mit dem Unterschied, dass sie jetzt Wirklichkeit geworden waren.
Nokoma schien enttäuscht. » Sag ihm selbst, wenn er gehen soll, aber ich warne dich, er könnte beleidigt sein. Ich habe viel Muti verwendet, um ihn zu rufen.«
» Ich soll mit dem Biest reden?« Jella sperrte
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