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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Lively
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allenfalls drei, womit er auf ein starkes Presseecho stieß. Gina stellt einige Suggestivfragen und hofft, jemand wird antworten, das sei der erste Schritt zu einer Zwangsbeschränkung nach chinesischem Vorbild. Die meisten Mütter kommen Gina wenig entgegen und äußern sich nichtssagend: Es ist schön, wenn man eins von jedem kriegt, dann weiß man, dass man aufhören kann; natürlich kann immer was passieren, oder? (Kichern.)
    Dann fragt eine Frau: »Wie alt sind denn Sie ?«
    Gina lächelt und versucht die Frage abzubiegen. Nicht die Befragten sollen das Interview führen.
    »Jedenfalls jünger als die meisten von uns. Keine Kinder?«
    So geht das nicht. »Nein«, sagt Gina. »Bitte sagen Sie mir, ob Sie glauben, dass sich die Leute auf zwei Kinder beschränken sollten.«
    Die Frau antwortet: »Werden Sie erst mal älter, junge Frau. Wenn Sie selber anfangen, welche zu kriegen, dann hören Sie auf zu zählen. Kinder kommen, wie sie wollen. Oder sie kommen gar nicht. Wie viele Geschwister haben Sie denn?«
    Wieder wehrt Gina die Frage lächelnd ab. »Stellen Sie sich vor, es gäbe Gesetze, die die Familiengröße beschränken – wären Sie damit einverstanden?«
    »Wie viele?« Die Frau lässt sich nicht beirren.
    »Fünf«, antwortet Gina angesäuert.
    »Da ist Ihre Familie wohl katholisch?«
    Die Sache gerät außer Kontrolle. »Nein«, sagt Gina. »Wären Sie persönlich bereit …«
    »Sechs Kinder und nicht katholisch«, sagt die Frau. »Da ist entweder was schiefgelaufen, oder Ihre Mum hatte einen Hang zur Selbstkasteiung. Und wie war es für Sie in einer so großen Familie?«
    Gina kämpft nun mit dem Rücken zur Wand. »Darum geht es hier eigentlich nicht«, sagt sie.
    »Jetzt seien Sie doch nicht so zugeknöpft«, bohrt die Frau weiter, »und behaupten Sie bloß nicht, Sie und Ihre Geschwister wären einander nicht dauernd an die Gurgel gesprungen. Jungs oder Mädchen?«
    Das reicht. Gina weiß, wann sie geschlagen ist. Sie beendet das Gespräch so höflich wie möglich und zieht weiter.
    *
    Jetzt ist sie neununddreißig, und damals war sie … wie alt? Zweiundzwanzig, dreiundzwanzig. Sie kann dieses andere Ich nicht sehen, die Nachwuchsreporterin, die ältere Frauen bedrängte, bis sie zu Recht störrisch wurden. Man sieht sich in diesen früheren Inkarnationen nicht, beobachtend bleibt man zugleich Mittelpunkt des Geschehens, die Person, für die sich ein Ereignis abspielt. Jedes Dia bleibt hängen, auch im Kopf – vergangen und vorbei, und dennoch weiterwirkend bis in alle Ewigkeit.
    Und was ist mit dem Bild da? War das früher oder später? Gina weiß nur, dass sie mit Sandra und Ingrid, die gerade bügelt, in der Küche von Allersmead steht – stand. Worüber haben sie sich unterhalten, was hat zu diesem Thema geführt? Gina weiß es nicht, nur die nächsten Sätze sind in ihrem Kopf zu Kristallen erstarrt, nur dieser Wortwechsel.
    *
    Ingrid blickt vom Bügelbrett hoch. Sie sagt zu Sandra: »Das war an Ginas Geburtstag. Natürlich wolltest du sie nicht stoßen. Nicht so fest, dass sie sich verletzt. Aber ein bisschen hast du schon geschubst.«
    Sie starren Ingrid an.
    »Woher weißt du das?«, fragt Gina.
    Ingrid zuckt mit den Achseln. »Ich hab’s gesehen.«
    Gina dreht sich zu Sandra: »Erinnerst du dich?«
    Sandra blickt zur Seite. »Eigentlich nicht. Ich erinnere mich … an die Aufregung. Ich war schließlich erst sieben .«
    Wahrscheinlich hat sie’s getan, denkt Gina. Passt zu ihr. Wusste Mum Bescheid? Weiß Mum Bescheid?
    Gina fragt Ingrid: »Weiß Mum Bescheid?«
    »Sie hat es nicht gesehen«, antwortet Ingrid. »Nur ich hab’s gesehen.« Sie klingt ausgesprochen selbstgefällig.
    *
    Gina lacht auf, alle drei zucken zusammen. »Und die ganze Zeit hast du keinen Pieps gesagt! Warum?«
    Ingrid konzentriert sich auf die Wäsche. Sie breitet einen Ärmel auf dem Brett aus, streicht ihn glatt. Sie zuckt mit den Achseln. »Das wusste nur ich, ganz allein. Das hat mir gefallen.«
    Gina dreht sich zu Sandra. »Ich verzeihe dir. Ein unentschuldbarer Aggressionsakt, aber ich verzeihe dir.«
    Alison kommt in die Küche. »Was verzeihst du ihr, Schatz?«
    Ingrid sieht aus, als nähme sie Anlauf zu einer Erklärung.
    »Dass sie mein Shampoo genommen hat«, sagt Gina. »Bin ich nicht von beispielhafter Großmut? Was, Ingrid?« Sie strahlt Sandra an (die überrumpelt dasteht, als hätte ihr jemand die Schau gestohlen) und rauscht hinaus.
    *
    Eine Familie ist ein zusammenhängendes Gebilde, eine

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