Familienaufstellungen
sagte: ›Sie meint es gar nicht so‹, fühlte ich mich wie festgenagelt.«
Im weiteren Verlauf der Skulpturarbeit sucht Katrin einen neuen Platz. Die Therapeutin regt sie an, einen Schritt in die Richtung zu tun, in die sie ihr innerer Impuls hinführt. Katrin bindet das Seil los und geht einen Schritt zur Seite, raus aus der Schusslinie zwischen Mutter und Vater. Hier steht sie aufrecht. Hier kann sie tief durchatmen. Farbe kehrt in ihr Gesicht zurück. Katrin erkennt, dass sie mit der Aufgabe, die ihre Eltern ihr zugewiesen haben und die sie auch bereitwillig angenommen hat, völlig überfordert war. Als Kind war sie nicht in der Lage, zwischen den Eltern zu vermitteln. »Ja, es war eine verdrehte Welt, dass ich meinen Vater vor meiner Mutter schützte. Ich hätte seinen Schutz gebraucht.« Erstmals spürt sie Wut gegen ihren Vater. Mit dieser Skulptur geht Katrin den ersten Schritt, sich aus dieser quasipartnerschaftlichen Bindung zum Vater zu lösen. Daher ist es für sie nicht mehr nötig, ihre Mutter so massiv abzulehnen.
Skulpturarbeit mit Stressmustern
Schule ist in vielen Familien das Stressfeld Nummer eins. Ängste, Versagen und Leistungsverweigerung sind die häufigsten Anlässe, warum Eltern eine Erziehungsberatungsstelle aufsuchen. Meist verstreichen viele Monate, bis Eltern fremde Hilfe in Anspruch nehmen.
Wenn eines Ihrer Kinder in der Schule Schwierigkeiten hat, werden Sie wahrscheinlich den inneren Zwiespalt kennen. Einerseits wollen Sie dem Kind nach bestem Wissen und Gewissen helfen, gleichzeitig regen Sie jede schlechte Note, jeder Verweis innerlich von Neuem auf. Schulstress verändert die Beziehungen in der Familie.
Wenn Familien in die Beratung kommen, ist den Eltern klar, was an dem Kind sich verändern sollte. Sie suchen Rat, wie sie ihr Kind zu dem gewünschten Verhalten bewegen können. Das Problem wird vielfach mit einem linearen Ursache-Wirkung-Schema erklärt: Weildas Kind in der Schule versagt, müssen Eltern dafür sorgen, dass es wieder den Anschluss findet. Genauso linear sind dann die Lösungsansätze: Wenn Eltern nur genügend mit ihrem Kind lernen, wird es wieder gute Noten bekommen und auch Lust an der Schule haben.
Familienskulpturen machen deutlich, wie alle Personen an der stressigen Situation beteiligt sind. Was eine Familienberaterin selbst mit ausführlichen Erklärungen kaum begreiflich machen kann, zeigen Familienskulpturen ohne viele Worte.
▶▶ Beispiel: Norbert und Konstanze kommen mit Rosalinde zu einem Familiengespräch. Rosalinde, neun Jahre alt, ist ein dickliches, schüchtern wirkendes Mädchen mit großen Augen. Norbert und Konstanze sind beide von kräftiger Statur. Kaum dass sie den Raum betreten haben, beginnt der Vater, sich über die Tochter zu beklagen, die nur noch Sechser nach Hause bringt und stinkfaul ist. Auch die Mutter weiß viel Ungutes zu berichten. Rosalinde schweigt, blickt zu Boden und antwortet nur sehr verhalten auf die Fragen der Familientherapeutin.
Nach einem längeren Gespräch, in dem die Therapeutin nach Ressourcen sucht, also wo Rosalindes Stärken liegen und wo der Kontakt zwischen
Vater und Tochter bzw. Mutter und Tochter gut ist, schlägt sie dem Vater vor, die jetzige Familiensituation in einer Skulptur aufzustellen. Im Gespräch wird die jeweilige Stresshaltung herausgearbeitet (siehe Grafik).
Alle drei verharren über eine Minute in diesen Haltungen und wiederholen mehrmals den Satz, der diese unterstreicht. Nun befragt die Therapeutin den Vater, welche Gedanken, Gefühle und Körperreaktionen er bei sich wahrgenommen habe. Wie er seine Frau erlebe – im Kontakt zur Tochter, im Kontakt zu ihm? Was nimmt er bei seiner Tochter wahr?
Norbert sagt: »Ich bin grad immer wütender geworden, erst auf Rosalinde, dann auf mich und zuletzt auf die Lehrerin. Sie ist wie mein Vater. Er hat mich auch so unter Druck gesetzt in der Schule. Dass meine Frau dasselbe tut wie ich, ist okay. Sie unterstützt mich darin. Rosalinde tut mir immer mehr leid. Aber mir bleibt doch gar nichts anderes übrig! Sie muss doch lernen.«
Konstanze meint: »Ich möchte meinem Mann nicht in den Rücken fallen, darum sage ich Rosalinde, was Sache ist. Mir war nicht wohl, als ich meinen Mann so laut neben mir hörte.«
Rosalinde: »Ja, so ist es zu Hause. Ich kann gar nicht mehr denken. Ich habe immer Angst, dass ich dann wieder geschimpft werde.«
Durch die Skulpturarbeit öffnet sich das Herz der Eltern. Neben der angestauten Wut und
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