Familienaufstellungen
reagieren. Heute, als erwachsene Frau, verfügt sie über ein größeres Repertoire an Reaktionsmöglichkeiten. Sie hat einen ganz anderen Sprachschatz als damals, sie kann für sich sorgen, ist also nicht mehr abhängig wie ein Kind. Sobald sie sich dies bewusst macht, wird es ihr leichter fallen, Martin beim nächsten Mal in einer solchen Situation zu sagen:»Martin, bitte, schau kurz von der Zeitung auf, ich möchte etwas von dir wissen.«
Über die Triggerarbeit wird ein altes Gefühl der Hilflosigkeit, das mit entsprechendem Verhalten verknüpft ist, entkoppelt. So können Wahlmöglichkeiten für das eigene Handeln entstehen. Auf diese Weise wird bei Sabine und Martin ein Prozess angestoßen, der ihr Verständnis füreinander wachsen lassen kann – das geschieht nicht von heute auf morgen, sondern braucht Zeit, um ins Alltagsleben integriert zu werden.
In einem zweiten Schritt wäre es sinnvoll anzuschauen, was für Martin der entsprechende Trigger ist, sich »wegzubeamen«, wenn heftige Gefühlsausbrüche und Forderungen ihn erreichen. Da Konflikte in der Partnerschaft nie das Problem eines Einzelnen sind, sollte auch dem Partner die Möglichkeit gegeben werden, seinen Anteil an der Szene zu begreifen. Zudem schafft die zweite Triggerarbeit einen Ausgleich zwischen den Partnern. Jeder erhält einen Einblick in die Herkunftsfamilie des anderen und kann dann für sich alte Beziehungsmuster lösen.
Simultan-Skulptur – Skulpturarbeit mit Familien
Die Simultan-Skulptur ist eine besonders spielerische Variante. Wenn zwischen dem Therapeuten/der Therapeutin und einer Familie ein guter Kontakt besteht und er/sie die Familie so weit kennt, um einschätzen zu können, dass alle Mitglieder mitmachen, können diese gemeinsam eine Skulptur bauen. Vater, Mutter und jedes Kind suchen für sich einen Platz und eine Haltung, die dem momentanen Leben entsprechen. Da kommt Bewegung in den Raum! Entsteht hierbei ein Gerangel – es wäre sehr erstaunlich, wenn es nicht dazu käme –, wird allen bald deutlich, welche Themen in der Familie zurzeit im Vordergrund stehen. Streiten sich z.B. der jüngste und der zweitjüngste Sohn, wer sich näher an Mamas Bauch anlehnen darf? Sind Mann und Frau mehr damit beschäftigt, den »richtigen« Abstand zu den Kindern zu finden als zueinander? Wenn jeder durchseine Haltung den anderen das eigene Erleben mitgeteilt hat, wird anschließend natürlich auch gemeinsam an einem neuen Bild gebastelt, das für alle stimmiger ist.
Jede Person in der Familie erhält durch diese Form der Familienskulptur unzählige Informationen über sich, die anderen und das Zusammenspiel aller. Hier wird der systemische Grundsatz leibhaftig spürbar: »Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.« Jeder erlebt, wie er an seinem Platz gesehen, gehört und gefühlt wird, wie das Erzählen und Nachfragen neue Perspektiven eröffnet. Allein über das gemeinsame Spiel wird so viel Energie freigesetzt, dass sich neue Wege auftun.
2.4 Was wollen Familienskulpturen leisten?
Veränderungen aktiv zulassen – das erlebte Bild wirkt
Auf Skulpturseminaren sagen Teilnehmerinnen und Teilnehmer öfter, sie wüssten nicht mehr so genau, wie es denn wirklich in ihrer Familie gewesen sei. Sie könnten sich zwar schon an viele Szenen erinnern, aber ob das alles so der Wahrheit entspreche, möchten sie nicht behaupten. Familientherapeuten sind der Auffassung, dass für das aktuelle Leben des Menschen nicht »die« Wahrheit, eine »reale« Vergangenheit entscheidend ist, sondern immer nur das Erinnerte.
Diese erinnerte Vergangenheit beeinflusst und bestimmt bis auf Weiteres unsere Beziehungen. So konstruiert sich jeder Mensch seine Beziehungswelt aus inneren Bildern, die ihn in seinem Denken, Fühlen und Handeln leiten. Spannungsreiche Kommunikationsabläufe wiederholen sich immer wieder, weil sie sich an einem festgefahrenen Beziehungsbild orientieren. Die Skulpturarbeit eröffnet Alternativen, die wir nutzen können, um neue Umgangsformen über ein neues Beziehungsbild zu lernen.
An Katrins Beispiel verdeutlicht: Wenn die Mutter ihr gegenüber einen Wunsch äußerte, war sofort das innere Bild – oft unbewusst – präsent: »Die Mutter bindet mich an sich, sie gönnt mir nichts.« Dadurch sah Katrin natürlich gleich rot und ging auf Abwehr. Mit dem neuen Bild im Herzen »Meine Mutter ist verletzt, weil sie sich in ihrer Partnerschaft verraten fühlte, und ich bin ihre Tochter, die sich ihre Liebe wünscht« kann
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