Familienbande
nach einigen Minuten siegte die Neugier über die Geduld.
„Was ist passiert?“, fragte sie und blickte ihn auffordernd an. „Magst du mich nicht mehr? Hab ich dir irgendetwas getan? Haben meine Eltern dir etwas gesagt, was dich dazu bringt, schlecht von mir zu denken? Sag mir einfach, was los ist. Denn wenn du weiterhin schweigst, dann denke ich mir Szenarien aus, die sicherlich noch viel schlimmer sind als die Wahrheit.“
Greg verzog den Mund und schüttelte dann den Kopf. Ein schlimmeres Szenarium als die Wahrheit konnte Laney sich gar nicht ausdenken. Ein schlimmeres Szenarium als die Wahrheit gab es gar nicht. Jason und Kathleen wollten, dass er sich mit Laney verband. Aber das war es nicht, was Greg so sehr erschreckte. Was ihn wirklich verstörte, war die Tatsache, dass er es sich tatsächlich vorstellen konnte.
Laney war doch immer wie eine kleine Schwester für ihn gewesen. Vor seiner Schlafphase war sie noch so jung gewesen. Er hatte gesehen, wie sie aufgewachsen war, hatte geholfen sie vor Marlene zu schützen und hatte ihr so vieles beigebracht. Verdammt. Er hatte ihr sogar Märchen vorgelesen, als sie noch ganz klein gewesen war.
Greg wünschte sich plötzlich von ganzem Herzen, dass Cynthia da wäre. Seine Schwester hätte sicherlich einen guten Rat gewusst. Sie war schon lange erwachsen gewesen, als er geboren wurde und sie hatte sich die ersten Jahre seines Lebens mit Hingabe um ihn gekümmert. Als die Zeit ihrer Schlafphase gekommen war, hatte sie ihn nur mit schwerem Herzen zurückgelassen und er hatte zehn Jahre ungeduldig darauf gewartet, dass sie wieder erwachte. Als es dann endlich so weit war, hatten sie sich natürlich ein wenig voneinander entfremdet, weil er in der Zeit zu einem jungen Mann herangereift war. Aber dennoch hatten sie ihr gutes Geschwisterverhältnis beibehalten. Er hatte ihr immer alles anvertrauen können und sie hatte ihm stets bereitwillig zugehört. Wahrscheinlich existierte auf der ganzen Welt keine liebenswürdigere Person als Cynthia und Greg sehnte sich nach ihrem Rat.
Doch Cynthia schlief mit Sicherheit. Es war so viel Zeit vergangen, dass es eigentlich gar nicht anders sein konnte, obwohl Jason und Kathleen nichts zu berichten wussten. Cynthia hatte seit über zehn Jahren keinen Kontakt mehr zur Familie gesucht und war seit sechs Jahren auch von niemandem sonst mehr gesehen worden.
„Greg“, sagte Laney und riss ihn damit wieder aus seinen Gedanken.
Er sah auf und begegnete ihrem flehenden Blick.
„Bitte“, sagte sie drängend. „Sprich mit mir.“
Greg seufzte, öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. Wo sollte er bloß anfangen.
„Laney“, sagte er zögerlich. „Ich weiß wirklich nicht, ob ich das kann …“
„Was kann?“, fragte Laney fordernd.
Greg runzelte angestrengt die Stirn und versuchte eine Möglichkeit zu finden, wie er ihr die Situation erklären könnte, ohne sie sofort zu verschrecken. Er wollte nicht, dass sie sich übergangen fühlte. Er wollte auch nicht, dass sie gekränkt war. Und er wollte nicht, dass sie ihn zurückwies.
Während sie so neben ihm saß und ihn auffordernd ansah, wurde ihm bewusst, dass er sich wirklich gerne mit Laney verbinden würde. Sie waren wie geschaffen füreinander und es gab keine Frau auf der Welt, die Greg mehr bedeutete. Abgesehen von Cynthia natürlich, aber das war nun wirklich etwas ganz anderes. Natürlich liebte er Laney nicht wie eine Partnerin. Doch das würde sich durch die Verbindung ändern. Leonie würde zwar enttäuscht sein, aber war es nicht viel wichtiger Laney vor Marlene zu schützen?
Laney blickte ihn weiterhin ungeduldig an, aber Greg zögerte. Was, wenn es für Laney anders war? Was, wenn sie ihn nicht als potenziellen Partner betrachten konnte und ihn zurückwies? Das wäre ihm sehr unangenehm.
„Greg. Wenn du nicht augenblicklich mit der Sprache herausrückst, dann werfe ich dich wieder in den See“, kündigte Laney an.
Greg konnte sehen, dass sie langsam wirklich wütend wurde, und sah keinen anderen Ausweg mehr, als ihr die Wahrheit zu sagen.
„Ich möchte, dass du dich mit mir verbindest“, sagte er.
Laney stutzte.
„Bitte was?“, fragte sie verwirrt, weil sie unsicher war, ob sie ihn richtig verstanden hatte.
Greg spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss, und blickte wieder auf den See hinaus. Wenn er Laney nicht ansah, fiel ihm das Reden leichter.
„Laney …“, begann er. „Ich weiß, dass Marlene bald wieder aufwachen wird, und ich
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