Familienbande
Stunden damit verbracht, diverse Museen zu besuchen und die Stierkampfarena anzusehen.
So jedoch betrachtete er jedes Gebäude mit einer einzigen Frage im Hinterkopf. Wo war Laney?
„Hast du inzwischen genug Sightseeing gemacht?“, fragte Liliana gelangweilt. Seit einer Stunde fuhren sie bereits mit einem Touristenbus durch die Stadt, um jede wichtige Ecke von Barcelona zu besuchen. Doch bisher hatte Darrek keinerlei Ahnung, wo er nach Laney suchen sollte.
„Wir haben noch Zeit“, gab Darrek zurück. „Lehn dich zurück, Lil. Genieß den Ausflug. Wer weiß, wann du das nächste Mal nach Barcelona kommst.“
Liliana verdrehte die Augen. Während die jungen Kaltblüter es aufregend fanden, den Mauern des Ältestenhauses für eine Weile entkommen zu sein, hatte Liliana seit ihrer Landung auf Eile gepocht. Sie wollte Akimas Zeitplan unbedingt einhalten und verstand nicht, warum Darrek Zeit damit verschwendete, die Stadt zu besichtigen.
„Das ist mir alles zu blöd“, stellte Liliana fest und ging auf die Treppe zu. „Macht ihr euch ruhig noch ein bisschen weiter zum Affen. Ich werde mir inzwischen etwas zu essen suchen.“
Darrek hielt Liliana am Arm zurück.
„Tu, was du nicht lassen kannst“, raunte er. „Aber vergiss nicht aufzuräumen hinterher.“
Liliana riss sich los und zuckte mit den Schultern.
„Mal gucken“, gab sie zurück und war schneller verschwunden, als Darrek es ihr zugetraut hätte.
Sobald sie außer Sicht war, trat William neben Darrek an die Reling des Hochbusses. Sie passierten gerade „La casa Batllo“, eines der Häuser, das von Gaudí entworfen worden war.
„Wo ist sie nur?“, fragte Darrek leise, sodass die Zwillinge ihn nicht hören konnten.
„Das weiß ich nicht“, gab William zurück. „Aber wenn wir sie nicht bald finden, müssen wir Barcelona unverrichteter Dinge wieder verlassen. Die Zwillinge mögen zwar im Moment ganz friedlich sein, aber sie haben ihre Befehle. Es wäre unklug, ihre Geduld überzustrapazieren.“
Laney drehte wie jeden Tag ihre Runde auf der Krankenstation. Es war ein ruhiger Tag und sie hatte nicht sonderlich viel zu tun. Als sie bei Zimmer Nummer vier angelangte, kam ihr die Señora mit ihrem kleinen Wägelchen schon entgegen. Sie trug nur ihr langes Nachthemd und ein Paar Schlappen. Sie sah sehr fit aus und war offensichtlich wieder einmal bester Laune.
„Guten Morgen, Samantha“, begrüßte sie Laney lächelnd. „Machen Sie heute Ihre Runde schon vormittags?“
„Ich glaube, Ihre Uhr geht mal wieder falsch, Señora“, meinte Laney kopfschüttelnd und ging auf die alte Dame zu, um ihr die richtige Uhrzeit zu zeigen. „Es ist vier Uhr nachmittags.“
„Oh“, gab die Señora etwas enttäuscht zurück. „Und ich dachte, dass ich es heute mal besonders früh aus dem Bett geschafft hätte.“
Laney hatte Mühe ein Grinsen zu verbergen, riss sich aber zusammen. Sich über die Vergesslichkeit älterer Leute lustig zu machen, war nicht besonders nett.
„Sagen Sie, Samantha? Wie sieht es denn bei Ihnen in der Liebe aus?“, fragte die Señora neugierig, als Laney sie zu ihrem Zimmer zurück begleitete. „Sie halten sich immer so viel im Krankenhaus auf. Haben Sie denn niemandem, zu dem Sie zurück nach Hause wollen?“
„Oh. Ich glaube, da haben Sie mehr zu erzählen, als ich, Señora“, versicherte Laney schmunzelnd. „Ich sehe doch, wie der Witwer aus Zimmer drei Sie immer ansieht, wenn Sie an ihm vorbei laufen.“
Die Señora gab Laney einen Klaps auf den Rücken und lachte auf.
„Sie sind manchmal so ungezogen, Samantha“, meinte sie vorwurfsvoll und stützte sich an Laneys Schulter ab, als diese ihr wieder ins Bett half.
„Haben Sie schon gegessen, Señora?“, fragte sie dann leicht besorgt, als sie den dünnen Körper der alten Dame betrachtete.
„Nein“, gab die Señora zu und sah auf den vollen Teller auf dem Tisch. „Ich dachte ja, es wäre noch so früh und deswegen wollte ich bis zum Mittag damit warten.“
Laney schüttelte nachdenklich den Kopf. Sie würde ein ernsthaftes Wort mit den Krankenschwestern reden müssen. Wenn die Señora ständig vergaß zu essen, dann würde sie am Ende nicht an Krebs sterben, sondern einfach nur aus lauter Schusseligkeit verhungern. Der Gedanke gefiel Laney ganz und gar nicht.
„Sie sollten wirklich heiraten, Samantha“, erklärte die alte Dame nun und sah Laney aus weisen grauen Augen an. „Sie wären bestimmt eine gute Mutter.“
Laney antwortete nicht. Männer
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