Familienbande
Haar.
„Ich liebe dich, Coal“, sagte sie überzeugt. „Aber wir können Celia solche Kindereien nicht durchgehen lassen. Ich muss sie suchen.“
„Du willst rausgehen?“, hakte Coal nach. „Mitten am Tag?“
Cynthia lächelte.
„Mich verbrennt die Sonne nicht“, erinnerte sie ihn. „Solange du hier bleibst, kann ich mich draußen problemlos frei bewegen.“
Coal nickte und senkte traurig den Kopf. Es störte ihn nicht, dass Cynthia das provisorische Haus ohne ihn verlassen wollte. Das tat sie bei Nacht auch häufig genug. Aber es verunsicherte ihn zu wissen, dass er ihr nicht folgen konnte, falls sie Hilfe brauchte. Manchmal fühlte er sich wie ein Anker, der sie immer an einer Stelle hielt und somit ihre Bewegungsfreiheit einschränkte. Cynthia hätte so viel mehr verdient gehabt als ein Leben in Dreck und Armut auf einer einsamen Insel. Sie hätte sich mit einem reichen Warmblüter verbinden sollen, der sie auf Händen trug und ihr alles bieten konnte, woran sie von klein auf gewöhnt gewesen war. Doch sie hatte sich für ihn entschieden. Eine Wahl, die er niemals würde nachvollziehen können.
Cynthia spürte seine Gefühlsregungen sofort. Sie legte ihre Hand auf seine Wange und zwang ihn dazu, sie anzusehen.
„Als Thabea uns vor sechs Jahren verbunden hat, da wusste ich genau, was ich tue“, sagte sie überzeugt. „Ich wollte das hier. Mir war von Anfang an klar, dass ein Leben mit einem flüchtigen Diener kein einfaches Leben sein würde. Aber ich bin nie einem Mann begegnet, der mir mehr hätte geben können als du. Und dafür bin ich dir dankbar, Coal. Hast du eine Ahnung, wo CeeCee sein könnte?“
Coal überlegte einen Moment und nickte dann.
„Ich tippe mal, sie ist wieder bei den Wasserfällen. Da geht sie doch ständig hin, wenn sie etwas ausgefressen hat.“
Cynthia nickte. Celia hielt sich gerne bei den Wasserfällen auf. Sie waren eine willkommene Abwechslung für sie, auf dieser kleinen Insel. Es kam häufig genug vor, dass sie sich langweilte, und das Wasser schien ihren ruhelosen Geist zu beruhigen.
„Mach dir keine Sorgen, Coal“, beschwor Cynthia ihren Gefährten. „Ich bin gleich wieder da und werde unsere Tochter mitbringen.“
Dann stand Cynthia auf und verließ die Hütte, um nach Celia zu suchen.
Das Mädchen zu finden, war nicht sonderlich schwer. Zumindest nicht, wenn man wusste, wo man suchen musste.
Celia saß auf einem Stein am oberen Ende des größten Wasserfalls und sah den Wassermassen dabei zu, wie sie in die Tiefe stürzten. Jede menschliche Mutter wäre wahrscheinlich vor Angst gestorben, wenn sie ihre Tochter so nah am Abgrund gesehen hätte. Cynthia hingegen wusste genau, dass sie sich um Celia keine Sorgen zu machen brauchte. Das Mädchen war taff und hatte ihren ganz eigenen Kopf. Ganz anders als Cynthia es als Kind gewesen war.
Cynthia hatte eigentlich vorgehabt, das Kind an den Ohren wieder nach Hause zu schleifen und ihr für die nächste Nacht Hausarrest zu geben. Das Mädchen hatte trotz besserem Wissen Coal in Gefahr gebracht und auch Cynthia damit Schmerzen zugefügt. Aber als sie sah, dass ihre Tochter weinte, verrauchte ihr Zorn sofort wieder.
„CeeCee“, sagte sie besorgt und setzte sich neben das Kind. „Alles okay mit dir? Hast du dir was getan?“
Celia sah ihre Mutter aus großen dunkelblauen Augen an und schniefte.
„Ich wollte Papa nicht wehtun“, klagte sie. „Ich … Ich dachte, es wäre lustig. Ich wollte doch nur einen Streich spielen … Ich wollte nicht, dass er schreit. Es tut mir so leid, Mami. Es tut mir sooo leid.“
Cynthia legte einen Arm um ihre Tochter und zog sie an sich. Ihre Augen zu sehen, bereitete ihr schon seit langem keinen Kummer mehr, ganz gleich wie ähnlich sie denen von Jason waren. Wie erwartet, hatte die Verbindung zu Coal alle anderen Gefühle überdeckt. Jason bedeutete ihr zwar immer noch viel, aber nun nicht mehr auf eine schmerzhafte, ungesunde Weise, sondern sehr viel freundschaftlicher und platonischer.
Trotz allem kam es Cynthia wie ein Hohn vor, dass ihre Tochter ausgerechnet dieselbe Augenfarbe hatte wie Jason. Und dass Celias Zeugung überhaupt erst dazu geführt hatte, dass sie mit Coal geflüchtet war.
„Ich weiß, dass es dir leid tut“, sagte Cynthia und zog ihre Tochter noch näher. „Du musst einfach nachdenken, bevor du so etwas Dummes tust, CeeCee. Du weißt doch, dass Papa kein Sonnenlicht verträgt.“
Celia nickte.
„Ja, aber ich dachte, vielleicht habt ihr euch
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