Familienbande
Menschen war, sich neu in ein solches Leben einzufügen.
Zwei Stunden später versagte der Körper des Mannes und er erlag seinen Verletzungen. Er hatte bereits zu viel Blut verloren und war zu sehr geschwächt gewesen, um die Verwandlung zu überleben. Laney blieb bei ihm bis zum Schluss und sorgte dafür, dass er sicher in den Keller gebracht wurde. Sie blieb noch eine ganze Stunde bei ihm, um sicher sein zu können, dass er wirklich tot war. Dabei achtete sie genauestens auf Anzeichen der Verwandlung. Es wäre schließlich möglich, dass nur sein Herz den Kampf aufgegeben hatte, aber sein Körper längst der eines Vampirs war. Doch diese Befürchtung schien unbegründet. Der junge Mann war tot und würde nicht wieder aufstehen.
In der Zwischenzeit waren die anderen Notfälle versorgt worden und man hatte die meisten wieder nach Hause schicken können. Mit Sicherheit saßen sie jetzt zu Hause bei ihren Freunden oder Familien, während Laney später wieder in eine leere Wohnung zurückkehren würde.
Als sie so ganz in Gedanken die Treppe hochging, kam ihr plötzlich Juan entgegengerannt. Er wäre fast die Stufen hinuntergestürzt und Laney fing ihn reflexartig auf. Es kam ihr so vor, als würde er überhaupt nichts wiegen.
„Juan“, sagte sie bestürzt, als sie bemerkte, dass er zitterte. „Was machst du denn hier? Du solltest doch längst im Bett sein.“
Juan klammerte sich ängstlich an sie und vergrub seinen Kopf an ihrem Hals. Er roch unheimlich gut, nach Seife und nach Kind. Menschlichem Kind. Laney verdrängte den Gedanken, drückte Juan an sich und wiegte ihn hin und her. Irgendetwas musste den kleinen Kerl furchtbar aus der Fassung gebracht haben.
„Irgendetwas ist da oben, Samantha“, flüsterte er und erschreckte Laney mehr damit, als wenn er geschrien hätte. „Ich konnte nicht schlafen und wollte mir noch etwas zu trinken holen. Aber als ich am Schwesternzimmer vorbeigegangen bin, habe ich komische Geräusche gehört. Ich wollte nach draußen laufen, aber die Türen sind abgesperrt und überall ist es ganz dunkel. Ich hatte solche Angst. Also bin ich losgelaufen, um dich zu suchen.“
Laney drückte den Jungen noch näher an sich und öffnete dann langsam die Tür zur ersten Etage. Es war ein Wunder gewesen, dass er sie so schnell gefunden hatte, aber Juan schien ein Gespür dafür zu haben, wo er nach ihr suchen musste.
„Keine Angst, Juan. Es ist bestimmt alles in Ordnung“, versuchte Laney das Kind zu beruhigen, obwohl sie sich selber gar nicht so sicher war, ob das stimmte. Als sie die Tür öffnete, erstarrte sie. Der Junge hatte recht. Der ganze Gang war stockdunkel, so als hätte es einen Stromausfall gegeben. Falls das aber der Fall gewesen wäre, dann hätte sofort das Notaggregat anspringen müssen, um die Geräte weiter zu versorgen. Laney öffnete die Tür zu dem Patientenzimmer, das ihr am nächsten lag, und sah, dass die Geräte noch an waren. Demnach musste jemand das Licht bewusst gelöscht haben.
Es war vollkommen still. Die meisten Ärzte und Krankenschwestern waren um diese Uhrzeit längst zu Hause. Nur diejenigen, die Nachtdienst hatten, blieben, um sich um die Patienten zu kümmern. Diese wiederum schliefen wahrscheinlich alle schon und bemerkten gar nicht, dass sie kein Licht mehr hatten.
Laney ging um eine Ecke und befand sich nun auf dem Gang, an dessen Ende das Schwesternzimmer lag. Juan klammerte sich immer noch an ihren Hals, aber sie spürte ihn gar nicht. Als ihr ein wohlbekannter Geruch aus dem Schwesternzimmer entgegenschlug, bekam sie am ganzen Körper eine Gänsehaut.
Vampire. Und zwar mehr als einer. Sowohl Warmblüter als auch Kaltblüter. Laney machte sofort wieder einen Schritt zurück und verschwand mit Juan zusammen hinter der Ecke. Sie hockte sich mit ihm hin und machte sich so klein wie möglich, obwohl sie genau wusste, dass das überhaupt nichts bringen würde.
In ihrem Kopf ging Laney so schnell wie möglich alle Gründe durch, die einen Angehörigen der Herrenrasse dazu bringen konnten, ein Krankenhaus zu betreten. Es wäre möglich, dass es Zufall war. Vielleicht brauchten die Vampire abgefülltes Blut und hatten beschlossen sich an der Blutbank zu bedienen. Vielleicht hatten sie sich verirrt. Vielleicht waren es jedoch auch Mitglieder der Force, die nach der Enkelin von Marlene suchten.
Laney schluckte. Sie sollte hier verschwinden, solange es noch möglich war. Bisher hatten die Fremden sie nicht entdeckt und sie sollte unter allen
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