Familienkonferenz in der Praxis
fühlen sich ohnmächtig und hassen ihre Kinder.
Einige Eltern schwanken zwischen diesen beiden Haltungen wie ein Pendel hin und her. So berichtete uns die Mutter einer siebenjährigen Tochter:
»Ständig wollte sie gefahren werden. Ich fuhr sie zu diesem und jenem Zweck, hierhin und dorthin. Es war, als wüsste ich gar nicht, dass ich auch selbst Bedürfnisse hatte. Ich gab ihr viel mehr Freiheit, als sie brauchte und als ich ihr hätte geben müssen. Auch wenn ich das Bedürfnis, irgendetwas am Nachmittag zu tun, deshalb zurückstellen musste, kam ich trotzdem ihren Wünschen nach … Dann ganz plötzlich – es konnte irgendein unbedeutender Vorfall sein – brachte sie das Fass zum Überlaufen. Sie tat irgendetwas Destruktives, und ich kam wie das Donnerwetter über sie … Hinterher tat es mir sehr leid. Und das Ganze begann von neuem: ›O mein Gott, was habe ich diesem kleinen Kind Schreckliches angetan.‹ Die Feindseligkeit, die sich im Laufe einer ganzen Woche angesammelt hatte, kam heraus, und dann litt ich unter schlimmen Schuldgefühlen … Reagierte sie dann in irgendeiner Weise, die mir zeigte, dass sie darunter litt – wissen Sie, Tränen oder Rückzug –, machte ich mir Vorwürfe, weil ich ihr all das angetan hatte … Es war keine gesunde Situation, für keinen von uns beiden.«
Von einem ähnlichen Machtkampf berichtete uns die lebhafte Mutter dreier halbwüchsiger Jungen:
»Meine eigene Erziehung war weiß Gott nicht dazu angetan, mich auf den Umgang mit irgendjemandem vorzubereiten. In meiner Familie ging es alles andere als ideal zu – meine Eltern sind nicht sehr gut miteinander ausgekommen. Natürlich kamen dann auch mein Mann und ich nicht gut miteinander aus. Ich sah ein, dass es mir an der nötigen Erfahrung fehlte, um eine Wiederholung zu vermeiden. In einem Zustand ziemlicher Verzweiflung hörte ich von dem ›Familienkonferenz‹-Kurs … Da gab es schwere Machtkämpfe zwischen den Jungen und mir, und ich wusste einfach nicht, dass es noch eine dritte Weise gab, sie zu führen. Ich glaubte, der einzige Weg, mit solchen Situationen fertigzuwerden, sei entweder ›Ich siege und du verlierst oder ›Ich verliere und du siegst. In der Vergangenheit hatte ich gewöhnlich verloren, aber ich war es müde, zu verlieren. So schrie ich ein wenig lauter, und dann gewann ich gewöhnlich. Aber ich stellte fest, dass das keine endgültigen Siege waren – stets war es nur ein Waffenstillstand für einige Zeit …«
Krisen und Tragödien
Manche Familien erlebten leider auch eine ernsthafte Krise, ein traumatisches Ereignis oder eine schreckliche Tragödie, bevor sie am Kurs zur ›Familienkonferenz‹ teilnahmen. Hören wir, was der Vater im folgenden Interview zu sagen hat. Er berichtet von der Verzweiflung, die ihn erfasste, als seine Tochter (die Älteste von drei Kindern) von zu Hause fortging und alle Hoffnungen zunichtemachte, die er auf sie gesetzt hatte:
»Ich glaube, mein Hauptmotiv (am Kurs teilzunehmen) war die Tatsache, dass wir einen fürchterlichen Zusammenstoß mit unserer Tochter
hatten. Sie war mit der Highschool fertig, und ich drängte sie, das College zu besuchen und mit irgendeinem Studium zu beginnen. Sie war sich aber durchaus nicht sicher, ob sie das wollte. Sie freundete sich mit einem Jungen an, der mir nicht gefiel. Ich machte das eine Zeitlang mit. Schließlich ließ ich sie aber wissen, dass mir dieser Bursche und sein Lebensstil durchaus nicht angenehm waren. Der Konflikt spitzte sich so zu, dass sie fortging – sie packte ihre Sachen und zog aus, um bei dem Jungen und seinen Eltern zu leben. Sie leben auch jetzt noch zusammen, oben in den Bergen, in einem umgebauten Lastwagen … Ich hatte das Gefühl, als Vater völlig versagt zu haben.«
Eine Mutter sah sich zu ihrer völligen Überraschung der Tatsache gegenüber, dass eines ihrer halbwüchsigen Kinder von zu Hause fortlief:
»Unsere Beziehung brach zusammen, besonders die zu unserem 16-jährigen Sohn. Wir wurden mit den Problemen nicht richtig fertig. Meist pochten wir auf unsere Autorität, waren aber auch recht nachgiebig. Dann lief er eines Tages von zu Hause fort. Die Probleme, die uns auseinanderbrachten, waren vor allem sein Drogenkonsum und seine Beschaffungsdiebstähle. Ich glaube, altmodischen Eltern fällt es sehr schwer, solche Dinge zu akzeptieren. Auch Kleiderfragen, die Unordnung in seinem Zimmer, das Scheuen jeder Verantwortung und die ewigen Streitereien mit mir führten zu
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