Familienpackung
Mark heißt. Weil es so maskulin klingt. Kurz, präzise und breitschultrig. Ein Mark ist ein kerniger Typ. Das hört man schon. Christophs Begeisterung hielt sich in Grenzen. Sein erster Kommentar war: »Und mit zweitem Namen heißt er dann Pfennig oder wie?« Irre witzig! Ich meine, wer von den Kindern wird sich je an die D-Mark erinnern? Das sind Eurokinder. Und davon mal abgesehen war die Mark ja auch nicht die schlechteste Währung und einen zweiten Vornamen bekommt Mark auch nicht. Schließlich heißt unsere Tochter auch nur Claudia und wenn für sie ein Vorname reicht, dann gilt das auch für Mark. Man möchte ja später nicht diskutieren, warum das eine Kind einen Namen mehr hat als das andere – und dann auch noch der Junge! Natürlich ist das albern, aber Geschwister neigen zu solch unerquicklichen Debatten. So oder so finde ich noch immer, dass die Frauen letztlich entscheiden sollten. Ich meine, wer trägt denn die Last der Schwangerschaft? Wer hat das Wasser in den Beinen, die schlaflosen Nächte, die Beckenbodenübungen und final auch noch die Entbindung? Mitsprache gerne – aber im Streitfall sollte die Frau das letzte Wort haben. Wenigstens bei der Namensfindung.
Schwester Huberta erscheint: »So, Frau Schnidt, jetzt geht es Schlag auf Schlag. Die Anästhesistin erwartet Sie. Sie wollen doch morgen gerne eine Betäubung, gell?« Sie ist noch immer ein kleiner Scherzbold.
»Bis gleich«, rufen mir meine Zimmergenossinnen aufmunternd zu und ich mache mich auf den Weg. Frau Doktor Zefler, die Anästhesistin, erwartet mich schon. Sie ist groß, um die vierzig und sieht aus wie eine Frau, die weiß, was sie will. Ihre dunkelbraunen Haare sind zu einem Knoten frisiert, ihr Gesicht ist ungeschminkt und ihre Nase sieht aus wie direkt aus Griechenland importiert. So ein klassischer, schmaler Riesenzinken. Ich liebe diese Nasen, schon weil meine mehr in Richtung Steckdosennase geht. Eine große schlanke Nase sieht edel aus. Man wirkt so aristokratisch. Frau Dr.Zefler, Typ Primaballerina, die in die Jahre gekommen ist, kommt gleich zur Sache und das Schöne: ich muss mich erstmals nicht für den geplanten Kaiserschnitt rechtfertigen. Hurra. Bei ihr darf ich sogar noch wählen. Sie stellt mir die zwei Narkosemöglichkeiten vor. Vollnarkose oder PDA . Bei Vollnarkose wird man komplett abgeschossen und wacht irgendwann als Neu-Mutter auf, dann, wenn die ganze Sache längst erledigt ist. Ich bin eine informierte Person und habe mich längst gegen die Vollnarkose entschieden, auch wenn sie durchaus verlockende Seiten hat. »Ich nehme die PDA , ich will mein Baby doch gleich sehen«, teile ich ihr mit. Bei Vollnarkose hätte ich immer ein wenig Angst, dass sie mir das falsche Baby unterschieben. Außerdem bin ich verdammt neugierig darauf, wie mein Sohn aussieht. Sie begrüßt meinen Entschluss, erklärt mir die Vorgehensweise und beteuert, dass ich keinerlei Schmerzen haben werde – wie herrlich! Ich fülle noch ein Patientenblatt aus, schummele ein bisschen beim Gewicht – nur mickerige vier Kilo – und dann darf ich schon wieder gehen.
Obwohl Frau Dr.Zefler sehr kompetent wirkt, steigt
langsam eine gewisse Nervosität in mir auf. Was wird das für ein Gefühl sein? Auf einem Tisch zu liegen und live mitzuerleben, wie der eigene Bauch von Doktor Wiedmann aufgeschnitten wird. Wahrscheinlich ein bisschen wie im Film ›Alien‹, nur dass mein Bauchbewohner hoffentlich um einiges attraktiver ist. Ich atme tief durch, gehe über den Gang und versuche zu entspannen. »Die machen das hier andauernd, die wissen, wie es geht, das ist nichts Besonderes für die, das wird schon werden«, versuche ich, mich selbst ein wenig zu beruhigen. Ich dachte, ich sei cool. Bis jetzt war ich, was den Kaiserschnitt angeht, völlig lässig. Jetzt tauchen erste Horrorszenarien vor meinem geistigen Auge auf. Was, wenn die Betäubung nicht wirkt, mir aber keiner glaubt und mir deswegen bei vollem Bewusstsein der Bauch aufgeschnitten wird? Man liest ja manchmal solche Sachen. War das fahrlässig, beim Gewicht zu schwindeln? Was, wenn die Betäubung deshalb zu gering ausfällt und ich nur wegen meiner blöden Eitelkeit höllisch leiden muss? Ich mache mich auf den Weg zurück zu Frau Doktor Zefler. Von Frau zu Frau sollten vier Kilo mehr ja keine Rolle spielen. Ich klopfe, reiße die Tür auf und sage schnell, »Da ist mir ein klitzekleiner Fehler unterlaufen. Ich wiege etwas mehr. Also nicht achtundachtzig Kilo, sondern eher so um
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