Familienpackung
Entschuldige mich bei dem Baby nochmal für die drei Gläschen Wein und freue mich auf das teure Leinen im Hotel. Insgeheim bin ich sogar ganz froh, dass wir unsere Hochzeitsnacht schon auf heute Nachmittag vorverlegt haben.
Jetzt wird Christoph überrascht. Suite, wir kommen. Um uns den Abend nicht zu verderben, schlägt Giovanni vor, uns die Rechnung zu schicken. Wie galant. Ach, diese Italiener sind doch ein feines Volk. Gutes Essen, schöne Männer
– manchmal ein wenig klein allerdings – und dazu so liebenswürdig. Christoph will die Rechnungsverzögerung nicht. Er ist kein Kredit- und Ratentyp. »Ich erledige das«, sagt er weltmännisch und schiebt mich schon sanft aus dem Lokal.
Draußen wartet sein Freund Jörn, dem ich vor etwa 15 Minuten schon, »Tschüs«, gesagt habe. »Was treibst du denn noch hier?«, will ich wissen. »Auf dich warten«, raunzt er und ich muss sagen, das finde ich doch etwas dreist. Nicht, dass mich sein Angebot nicht ehrt, aber direkt nach der Trauung vom fast besten Freund des Ehemanns angemacht zu werden, ist doch eine gewagte Angelegenheit. Jörn wäre durchaus eine winzige Sünde wert, aber heute steht mir nun gar nicht der Sinn danach. »Jörn, melde dich in fünfundzwanzig Jahren nochmal, dann vielleicht«, versuche ich sein Anliegen charmant aus der Welt zu schaffen. Er schaut erstaunt. »Andrea, bist du matt, ich habe einen Auftrag, mehr nicht«, zeigt er sich einigermaßen betroffen. Jetzt bin ich glatt ein wenig enttäuscht. Ich meine, in meinem Zustand, nach einem langen Tag, mit verrutschtem Haarnest, noch von einem durchaus gutaussehenden Mann angemacht zu werden, wäre schon schmeichelhaft gewesen. Andererseits – was wäre das für ein Freund? Er bugsiert mich in seinen Wagen, nicht ohne mir vorher die Augen zu verbinden. »Halt, Jörn, das geht nicht«, protestiere ich. »Ich habe Pläne.« »Andrea, Christoph hat gesagt, ich solle dir keinesfalls zuhören und nichts gelten lassen. Also spare dir jedes Wort.« Jörn ist, behauptet jedenfalls Christoph, extrem zuverlässig und schwer zu überreden. Also füge ich mich brav und gottergeben in mein Schicksal. Vielleicht hat Christoph noch irgendwo ein Geschenk und will mich
zum Übergabeort bringen lassen? Oder es geht zum Flughafen und wir fliegen doch in die Flitterwochen? Das muss es sein! Er hat Karibik gebucht. Sandstrand pur. Hoffentlich hat er daran gedacht, Urlaub einzureichen. Was wird aus Claudia? »Jörn, wo ist Claudia in der Zeit?«, frage ich schnell mal nach. »Bei Oma«, antwortet er einsilbig. Das ist wirklich nett von meiner Mutter. Ich bin regelrecht ergriffen. Hoffentlich hat Christoph mir was Gescheites zum Anziehen eingepackt. Ach, was soll’s, man kann zur Not überall was einkaufen.
Wir halten. Jörn zieht mich aus dem Auto und ich finde, es hört sich sogar schon ein bisschen nach Flughafen an. Jetzt packt mich das Reisefieber. Ich sehe zwar mittlerweile wahrscheinlich komplett derangiert aus, aber einer Braut verzeihen die Menschen schnell. Himmel gib, dass er Business Class gebucht hat. Mit meinem Bauch zehn Stunden Holzklasse, das wäre nicht gerade mein Traum. »Jörn, ich hoffe, er hat was Ordentliches gebucht«, wage ich einen neugierigen Vorstoß. »Ja, klar. Hat er, Andrea. Nur vom Besten.« Ich will nicht zuviel reininterpretieren, aber das klingt mir fast nach First Class. Welch ein Wunder. Wo Christoph doch sonst immer sagt, dass das nun wirklich die absolute Verschwendung sei. Lieber fünf Stunden Beinkrämpfe als den doppelten Preis zahlen. »Selbst wenn ich es soooo dicke hätte, das Geld kann man sich sparen«, erzählt er gerne, wenn es um Reiseplanungen geht. Wenn es um einen Flug nach Hamburg geht, kann ich ihm durchaus argumentativ folgen, bei einer längeren Strecke würde mir was Vornehmeres schon gefallen. Komisch, keinerlei Ansagen. Andererseits – um die Zeit normal. Die frühen Maschinen gehen erst gegen fünf Uhr und dazwischen gibt’s
ja Nachtflugverbot. Ich werde in einen Stuhl gedrückt und muss ausharren. »Wehe, du linst«, knurrt mich Jörn an. Ich gehorche. Dann fahren wir Aufzug. Wahrscheinlich vom Parkhaus zum Terminal. Eine Tür.
Und dann endlich darf ich die Augen öffnen. Ich stehe vor Christoph. Jörn hat sich sekundenschnell verdrückt. »Aber das hier ist ja gar nicht der Flughafen«, schwant mir Böses. »Schatz, was ist denn das für eine Begrüßung?«, schließt mich mein Mann – klingt doll, mein Mann – in die Arme. »Wir sind im
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