Familienpackung
Kempinski Gravenbruch. Von Flughafen war doch nicht die Rede, oder?« Verdammte Scheiße. Da hat dieser Mann mal eine Idee und dann ausgerechnet die, die ich auch hatte »Das geht alles nicht«, stammle ich vor mich hin. Dabei ist das Zimmer hübsch. Ein großes, schönes Doppelzimmer. Allerdings keine Suite. Was mache ich denn jetzt? Ich bin hundemüde, würde mich am liebsten in die Kissen werfen, weiß aber, dass knapp 15 Kilometer entfernt eine palastartige Suite auf uns wartet. Eine Suite für 670 Euro die Nacht. Von der sowieso schon mindestens die Hälfte rum ist. So ein Bockmist. »Schatz, das ist alles wundervoll, aber eigentlich war was anderes geplant«, beginne ich vorsichtig, die Lage zu klären. »Bestehst du darauf, daheim zu schlafen, wirst du direkt mit der Heirat zum häuslichen Typ?«, wundert sich Christoph. »Nein, aber im Frankfurter Hof ist die Suite gebucht. Von mir. Als Überraschung für dich. Wir müssen direkt wieder los.« Ich hatte Freudenschreie erwartet, aber Christoph ist nur verdattert, »Schnucke, sag ab, es ist süß von dir, aber leider schon arg spät. Ich bin fertig. Lass uns ins Bett gehen und die Suite Suite sein lassen.« Das finde ich jetzt allerdings ziemlich doof. Nicht nur, weil ich im Voraus bezahlt habe. »Die Suite
ist viel schöner und größer«, spiele ich meinen Trumpf aus. Ich merke, wie er leicht ärgerlich wird. »Um die Zeit ist mir das wurschtegal, groß hin, groß her. Willst du noch fangen spielen? Hier ist ein prima Bett und da steige ich jedenfalls jetzt rein.« So geht es nun auch nicht. Das, was sich in diesem Zimmer zusammenbraut, riecht verdammt nach erstem Ehekrach. Warum ist meine Überraschung weniger wert als seine? Ein ›Nein‹ ist ja zu verkraften, aber diese kategorische Ablehnung ist nicht annehmbar. Das hier heute Nacht kann eine weichenstellende Sache werden. Wenn ich jetzt sage, »Ja, Schatz«, und gehorsam ins Bett krieche, habe ich ja fast schon dauerhaft verloren. So schnell gibt eine Andrea Schnidt, auch eine frisch verheiratete, nicht klein bei. »Ich finde, wir sollten in den Frankfurter Hof fahren. Und zwar sofort. Ich will auf Rosen gebettet sein«, gebe ich ihm nochmal die Möglichkeit einzulenken. Ungerührt zieht sich mein Mann aus und schlüpft ins Bett. »Komm schon, sei eine gute Ehefrau«, brummt er und hält die Decke auf. Ich habe offensichtlich einen verkappten Macho geheiratet. Bravo. Glückwunsch, Schnidt, das lässt sich ja teuflisch gut an. »Nichts da«, beharre ich, »ich fahre in den Frankfurter Hof.« Wer droht, muss handeln. Ich schnappe mein Handtäschchen und knalle die Doppelzimmertür ins Schloss. Er sprintet hinterher und steht unten ohne im Hotelflur. »Andrea, sei vernünftig, das ist doch Quatsch«, schreit er über den Gang. Sei vernünftig! Das hat ja gerade noch gefehlt. So schon gar nicht. Ich springe vor dem Hotel ins erstbeste Taxi und rausche, vom verwunderten Blick des Nachtportiers begleitet, ab.
Auch im Frankfurter Hof Erstaunen. »Wir hatten Sie ein wenig früher erwartet, Frau Schnidt«, begrüßt mich
der Concierge. »Glückwunsch erst mal«, spricht er weiter und schüttelt mir die Hand. Ich würde sehr gerne schreien: »Sparen Sie sich die Glückwünsche, ich stehe kurz vor der Scheidung«, bewahre aber dann doch Haltung. »Wo ist denn der Herr Gemahl?«, traut sich der Mann am Empfang auf vermintes Terrain. »Kommt später«, muss als Erklärung ausreichen, obwohl ich mittlerweile in solch einer Verfassung bin, dass ich dem, mir bis vor zwei Minuten noch völlig unbekannten Mann am liebsten auf den Schoß klettern und eine Runde ausgiebig heulen würde. Ich bin so blöd. Sackblöd. Was habe ich da für ein Drama aufgeführt? Schließlich wollte Christoph mich auch nur lieb überraschen. Und ich mache, zum Dank, nachts um halb vier einen Aufstand. Ich werde es auf meine Müdigkeit schieben. Und auf die Schwangerschaft. Als ich in die Suite komme, bin ich verzückt. Da kann Christophs mickeriges Doppelzimmer nicht mithalten. Das hier ist wahre Pracht. Stellenweise leicht verblichen, aber dadurch fast noch charmanter. Und das Bett – angestrahlt und mit Rosenblättern über und über bestreut. In diesem Bett haben angeblich schon Bill Clinton und Boris Becker genächtigt. Vielleicht trotz aller Blüten ein Bett, in das man den eigenen Kerl besser nicht lassen sollte. Nicht, dass ein gewisses Besenkammer- oder Oval-Office-Fehlverhalten abfärbt. Und was nützen mir all die Blätter und die
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