Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)
Mittlerer würde sich mit Familie und Praxis auf die Dauer übernehmen. Konrad verneinte und wies auf Burkhards doch eher phlegmatische Art hin: Er ruhe in sich selbst, mehr als beide anderen Kinder zusammen, und selbst wenn er mit seiner Kleintierpraxis in den Anfangsjahren viel um die Ohren habe, werde ihn das ganz bestimmt nicht umhauen. Zumal seine Frau Inge die Zwillinge ja gut im Griff habe und sie Burkhard auch bei den Abrechnungen und dem sonstigen Buchführungskram helfe.
Beim zweiten Toast sprachen sie über Sophie und ihre Ambitionen, in der unsicheren Welt der Schauspielerei Fuß fassen zu wollen. Und beim dritten Toast kam Doris auf ihr Lieblingsthema: Urlaub!
Doch ehe Konrad in die Verlegenheit gebracht wurde, den aktuellen, nicht gerade begeisternden Zustand des VW Busses zu erklären, unterbrach sie mal wieder das Telefon. Mit einem Blick auf das Display erkannte Konrad die Handynummer von Jasmin Stahl.
»Entschuldige«, sagte er zu seiner Frau und sprach in den Hörer: »Hallo. Warum rufen Sie mich mit Ihrem Handy an und nicht aus dem Büro?«
Die Kommissarin klang eingeschüchtert, als sie erklärte: »Weil ich Ihnen das Folgende nur privat erzählen werde.«
»Ich hoffe, es handelt sich nicht um Dienstgeheimnisse«, unterbrach Keller sie. »Ich möchte nicht, dass Sie meinetwegen noch mehr Schwierigkeiten bekommen.«
»Pension hin oder her: Das war Ihr Fall. Sie sollen erfahren, wie es weitergeht. Und keine Sorge, ich kann mich gut allein wehren.«
»Schießen Sie los!«, forderte Keller sie mit leichtem Unbehagen auf.
»Schnelleisen hat aus meinen Untersuchungen dieselben Schlüsse gezogen wie wir. Er hat Wollschläger noch in der Nacht verhört.«
»Wie hat er das durchgekriegt? Dr. Raabe dürfte vor Ärger im Karree gesprungen sein.«
»Schnelleisen hat Gefahr in Verzug geltend gemacht. Das muss der Neid ihm lassen: Wenn er sich an etwas festgebissen hat, lässt er nicht mehr los. Da ist er wie ein Kampfhund. Es ist ihm gelungen, Wollschläger weich zu klopfen.«
»Hoffentlich nicht im wahrsten Sinne des Wortes.«
»Wohl kaum. Aber zimperlich ist er nicht vorgegangen«, schilderte Jasmin Stahl. »Fakt ist: Wollschläger hat nach anfänglichem Leugnen alles eingestanden. Die Messerattacke ja sowieso, das ist nichts Neues. Diesmal hat er sich aber auch als Urheber der Stromfalle am Narkosegerät und als Saboteur an Annes Auto geoutet. Kurz und gut: Er ist tatsächlich unser Mann! Der von Rache verblendete Vater, der eine tückische Mordserie ausgetüftelt hat, die selbst dann noch funktioniert, wenn er im Knast sitzt.«
»Kaum zu glauben«, äußerte Keller spontan, denn die neue Nachricht traf ihn mit großer Wucht. – Schnelleisen, sein gerade erst gekürter Nachfolger, hatte mit einem einzigen Verhör den Fall gelöst, an dem sich Keller zuletzt die Zähne ausgebissen hatte. War Keller etwa zu weich gewesen? Hatte er zu sehr vor der Macht der Anwälte gekuscht? Selbstzweifel nagten an seinem Ehrgefühl. »Was passiert als Nächstes?«, fragte er, nachdem er den Schock einigermaßen verdaut hatte.
»Wollschlägers Aussagen müssen natürlich überprüft werden. Aber wichtiger noch ist es jetzt, die letzten beiden Überlebenden aus dem OP-Team auf Wollschlägers Abschussliste zu schützen. Denn wir wissen nicht, ob Wollschläger nicht auch für diese beiden Kandidaten Todesfallen vorbereitet hat.«
»Dr. Bartels, der Chirurg«, begann Keller aufzuzählen.
»Und Krankenpfleger Rolf, der Freund von Anne«, führte die Kommissarin den Satz zu Ende. »Denn er war als Pflegekraft ebenfalls mit von der Partie.«
Keller horchte überrascht auf, fragte: »Das sind die beiden Letzten, ja?«
»Richtig. Wir haben schon versucht, Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Aber Rolf ist nicht aufzutreiben. Zur Arbeit ist er heute früh nicht erschienen, bei ihm zu Hause geht keiner ans Telefon. Eine Streife ist bereits dorthin unterwegs.«
»Oh, Mist. Und der Arzt?«
»Bartels? Der steht in seinem OP, mimt den Coolen und will nichts von Polizeischutz wissen. Ich glaube, der ganze Rummel geht ihm tierisch auf die Nerven. Schnelleisen lässt jetzt prüfen, ob wir ihm auch gegen seinen Willen Personenschutz aufdrücken können.«
»Verdammt, verdammt«, murmelte Keller. »Ich hätte nie gedacht, dass Wollschläger so weit gehen würde. Mein Mitleid für ihn war wohl unangebracht. Ich habe – so hart das ist – auf ganzer Linie versagt.«
»Sagen Sie das nicht. Wir alle haben zu spät reagiert, als
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