Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)
Inge schnatterten munter drauf los und auf ihn ein, während Hauskatze Maus aufgeregt miaute.
Seine Familie hatte es sich nicht nehmen lassen, ganz groß aufzufahren. Wie am Morgen schon sein Büro, war auch die Wohnung dekoriert. Burkhard, der nicht nur begnadete Hände beim Heilen von Kleintieren hatte, sondern auch einen mehr als passablen Koch abgab, hatte ein internationales Büfett zusammengestellt, angefangen mit spanischen Tapas bis hin zu deftig würzigen Balkanspezialitäten.
Das Reisen und der Ruf der Ferne zog sich wie ein unsichtbarer roter Faden durch die Ausgestaltung des Familienabends – und Konrad Keller dachte mit aufkeimendem schlechten Gewissen an den schleppenden Fortschritt der VW Bus-Restaurierung.
»Bin ich endlich auch mal an der Reihe?«, fragte Doris mit gespieltem Vorwurf, als Keller für einen Moment frei von Kindern und Enkeln im Wohnzimmer stand. Seine Frau küsste ihn auf den Mund und ließ ihre Hände bei der Umarmung an seinen Seiten entlang fahren, als wollte sie ihn abtasten.
»Suchst du etwas?«, erkundigte sich Konrad leicht verwundert.
»Ich wollte nur sichergehen, dass du sie wirklich abgegeben hast«, raunte Doris ihm zu.
»Du meinst … – Glaubst du ernsthaft, ich würde meine Dienstwaffe mit in den Ruhestand nehmen? Das dürfte ich gar nicht.«
»Man weiß ja nie«, meinte seine Frau augenzwinkernd. »Da wir schon beim Thema sind: Ich finde, dein altes Gewehr vom Schützenverein hat in unserer Wohnung auch nichts mehr verloren. Wir sollten unsere vier Wände zur waffenfreien Zone erklären.«
»Mein altes Gewehr?« Konrad hatte die Sportwaffe, die in einer Truhe im Schlafzimmer weggesperrt war, so lange nicht angerührt, dass er sie beinahe aus seinem Gedächtnis gestrichen hätte. »Wenn du meinst. Ich werde sie wohl nicht mehr brauchen.«
»Ja, lass uns alles aussperren, was mit Verbrechen und Gewalt zu tun hat«, bat Doris. »Ich habe schon mal ein wenig Vorarbeit geleistet und einen Umzugskarton mit dem Gewehr und all dem Zubehör gefüllt. Wir können es bei einem Waffenhändler in Zahlung geben. Lädst du mir den Karton bei Gelegenheit in den Kofferraum?«
Immer langsam, wollte Konrad ihr antworten, doch er kam nicht mehr dazu, denn Kati und Nati schickten sich an, ihren Opa zurückzuerobern, und starteten einen lautstarken Frontalangriff.
Das Familienfest wandelte sich zur Familienparty, als Jochen sein iPhone an die elterliche Stereoanlage anstöpselte und die Charts rauf- und runterspielen ließ. Sophie war die Erste, die dazu tanzte, gefolgt von den Zwillingen und schließlich auch Inge und Doris. Burkhard hielt sich diskret im Hintergrund und machte sich an der Zubereitung des Nachtisches zu schaffen.
Beinahe hätte Konrad das Schellen des Telefons überhört, denn Jochens Privatdisco erreichte eine beachtliche Dezibelzahl. Konrad schnappte sich das Handteil und flüchtete ins Badezimmer, um dem Anrufer eine Chance zu geben, sich verständig zu machen.
»Keller«, meldete er sich und rechnete mit einem seiner Freunde oder Bekannten, der ihm alles Gute zum Ruhestand wünschen wollte.
»Stahl«, antwortete stattdessen die Kommissarin.
»Sie?« Konrad Keller fiel auf Anhieb keinerlei Grund dafür ein, warum die Kollegin – oder Ex-Kollegin – ihn anrief. Jetzt, nachdem er draußen war und nicht mehr zur Truppe gehörte. »Was gibt’s denn? Vermissen Sie mich etwa schon?«
»Schnelleisen wird mir den Kopf abreißen, wenn er von diesem Anruf erfährt, aber offiziell sind Sie ja noch bis Mitternacht im Amt, oder?«
Keller sah reflexartig auf seine Armbanduhr. Es war 22 Uhr durch. »Meinen Dienstausweis habe ich schon abgegeben«, antwortete er ausweichend.
»Ja? Sei’s drum! Ich wollte Ihnen nicht vorenthalten, dass es einen dritten Todesfall gab: Krankenschwester Anne hatte auf dem Heimweg vom Klinikum einen tödlichen Verkehrsunfall.«
»Was?« Keller nahm den Hörer vom Ohr und hielt ihn auf Abstand. Für den Augenblick fassungslos starrte er aufs Telefon. Dann vergewisserte er sich: »Anne? Die Tabledancerin?«
»Ja«, bestätigte Jasmin Stahl. »Laut den Kollegen von der Schupo ist sie auf abschüssiger Fahrbahn ungebremst gegen einen Brückenpfeiler geknallt.«
»Ein Unfall …«, sagte Keller grüblerisch. »War Rolf bei ihr?«
»Nein, sie saß allein im Wagen. Aber ich werde mir das sicherheitshalber selbst ansehen«, kam es energisch durch den Hörer. »Was ist, Chef, kommen Sie mit raus?«
»Sie meinen, ich sollte dabei sein?«,
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