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Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Titel: Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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einen weiteren Masala Chai bestellte, errötete sie, senkte beschämt lächelnd den Blick und machte sich unverzüglich auf, die leere Tasse zu holen.
    »Am Sonntag bin ich zurück!«, rief ich absichtlich laut, doch selbst so erreichte meine Ankündigung die Empfängerin nicht.
    Ich war beunruhigt: Handelte es sich nur um einen Flirt oder bahnte sich da eine Affäre an? War es meine Pflicht einzugreifen? Durfte ich das und ging mich das überhaupt was an? Was würde mein Vater sagen, falls ich es unterließ? Wie meine Mutter reagieren, wenn ich es tat? Wurde ich Mitte dreißig noch zum Scheidungskind?
    »Phir milenge!«, sagte ich, als ich die Ladentür öffnete. Auf Wiedersehen. »Ma!«
    Doch einzig Mister Namboodiri blickte auf. Wie bei einem dieser Spielzeughunde, die gewisse Leute im Auto hinter der Heckscheibe platzierten, begann sein Kopf sofort zu wackeln, doch diesmal erkannte ich in seinem Lächeln nicht nur die demonstrative Freundlichkeit. Sondern auch kaum verhohlenen Triumph.

Freitag
    Ödland so weit das Auge reichte, ockerfarbene Felder und Hügel, einzig die Flussläufe waren gesäumt von schmalen Streifen dunkelgrünen Buschwerks. Verstreut waren ein paar Dörfer auszumachen, ansonsten war das Umland Madrids unbesiedelt. Die verdorrten Kiefernwälder der Sierra Guadarrama wirkten fahl, wie mit Sandstaub überzogen. Kein Wölkchen am azurblauen Himmel, dafür knallte die Sonne bereits frühmorgens mit unbändiger Wucht herunter.
    José schlief immer noch. Der Kleine hätte wieder die halbe Nacht geschrien, hatte er mir beim Latte macchiato an der Flughafenbar erzählt und war kurz nach dem Boarding erschöpft eingenickt.
    Seit einigen Minuten befand sich das Flugzeug im Sinkflug, und ich reichte der Flugbegleiterin meinen leeren Pappbecher und die zerknüllte Plastikfolie des überraschend leckeren Muffins, das zum Kaffee serviert worden war. Schon konnte ich in der Ferne den Flughafen erkennen und einen grünen Fleck inmitten der Häuser, der nur der Retiro sein konnte, die weitläufige Parkanlage im Stadtzentrum.
    Ich hatte ebenfalls versucht, ein wenig zu dösen, doch die mir bevorstehende Aufgabe hatte mir keine Ruhe gelassen. Nachdem ich am Vortag den Laden meiner Mutter verlassen hatte, war ich, einer spontanen Eingebung folgend, zur Liebfrauenkirche spaziert, einer Basilika mit farbenfrohen Malereien und massiven Marmorsäulen im Inneren, die vom Central aus zu Fuß in wenigen Minuten erreichbar war. Hier hatte Irene Winter vor sechzehn Jahren Trost gesucht. Ich hatte nur den Vikar angetroffen, der mir nach einem kurzen Blick in seine Unterlagen bedauernd mitgeteilt hatte, dass die Seelsorgerin Schwester Hanna bereits vor sechs Jahren verstorben sei. Ihr Grab befinde sich auf dem Friedhof Hönggerberg, falls ich ihr die letzte Ehre erweisen wolle.
    Ich hatte gehofft, mehr darüber herauszufinden, wie damals die ganze Geschichte abgelaufen war und ob noch andere Personen involviert gewesen waren. Doch der Vikar hatte mich unwirsch abgekanzelt, als ich ihm von der Adoption und Schwester Hannas Rolle dabei erzählt hatte, und mir nahegelegt, nicht jeden Humbug zu glauben. Das war alles, was ich in Erfahrung hatte bringen können, denn der Gottesmann hatte die Unterhaltung abrupt beendet und mich grußlos stehen gelassen.
    Vielleicht reichte die Adresse des Ordens ja aus, um ans Ziel zu gelangen. Ich stellte mir die Mutter Oberin vor, wie sie uns herzlich an ihre Brust drückte und uns ein Glas Messwein kredenzte, bevor sie lachend Noemis Adoptionsakte aus einem antiken Sekretär hervorkramte. Aber nach der Erfahrung mit dem Vikar gestern Nachmittag bezweifelte ich einen derart günstigen Verlauf der Ermittlungen.
    Irgendwann musste ich José schonend darauf vorbereiten, dass sich die Suche nach Noemis Familie aufwendiger gestalten könnte, als ich angetönt hatte.
    Der Flughafen Barajas war umgeben von Brachland und auf der Fahrt Richtung Stadtzentrum, die wir dank Frau Winters Spesenzahlungen bequem mit dem Taxi zurücklegten, säumten Böschungen mit strohtrockenem Gras die Straße, unterbrochen von hässlichen Industrieanlagen und Wohnsilos.
    »Mittelklassehotel?«, rief José, als der Fahrer vor dem Hotel Reina Victoria anhielt. »Das ist ein verdammter Luxuskasten!«
    »Mir schien es nicht so teuer«, murmelte ich und stellte mir Irene Winters vorwurfsvollen Blick vor, wenn ich ihr die Reiseabrechnung präsentierte.
    »Nächstes Mal fragst du mich! Ich habe Verwandtschaft in der Stadt, da

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