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Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition)

Titel: Familienpoker: Vijay Kumars vierter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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verbrannt war, doch die Mittel waren knapp, es fehlte uns an Personal. Zudem interessierte sich niemand wirklich dafür, was im Archiv gelegen hatte. Nach Doktor Sánchez’ Weggang hat man sich hier auf Organtransplantationen spezialisiert, es gab keine Adoptionen mehr, die gesamte Kinder- und Geburtenabteilung wurde geschlossen.«
    »Wann war das?«, fragte ich erschrocken.
    Maria hielt inne und überlegte. »Das muss im Herbst 1995 gewesen sein, Anfang Oktober, wenn ich mich nicht irre.«
    »Und der Brand?«
    »Kurz danach.«
    »Ein Zufall nehme ich an?«
    »Was wollen Sie damit antönen?« Drohend sah sie mich an.
    »Nichts.«
    »Die Ermittlungen wiesen auf einen Kabelbrand hin und wurden rasch eingestellt.«
    Der Fall wurde immer undurchsichtiger. Noemi war sechzehn, was bedeutete, dass sie 1997 zur Welt gekommen war. Und wenn es stimmte, was Schwester Maria sagte, dann nicht in diesem Spital, da hier zu dem Zeitpunkt die Geburtenabteilung bereits geschlossen war.
    Ernüchtert stellte ich fest, dass Sánchez womöglich überhaupt nichts mit Noemis Adoption zu tun hatte. José musste auf der Suche nach ihm eine längst verjährte Meldung im Internet erwischt haben. Ich fühlte mich wieder auf Feld eins zurückversetzt.
    Die Stimmung war gedrückt, als wir mit dem Aufzug ins Erdgeschoss fuhren. Erst nachdem wir das Spital verlassen hatten, brach José das Schweigen: »Wegen diesem kleinen Rückschlag gibst du jetzt aber nicht auf, oder?«
    »Von Aufgeben kann keine Rede sein. Ich habe mir die Ermittlungen nur viel einfacher vorgestellt«, erwiderte ich und bemerkte, wie gereizt ich dabei klang.
    Unaufgefordert hielt mir José sein Zigarettenpäckchen hin. Ich griff zu, zündete mir einen Glimmstängel an und nahm einen tiefen Zug.
    »Ich bin mir sicher, dass sie lügt«, sagte ich nach einer Weile. »Und ich vermute auch, dass Sie selbst Sánchez’ Adresse aus der Computerdatei gelöscht und den Brand gelegt hat.«
    »Hast du dieses eine Bild mit Sánchez und ihr gesehen? Eine Ordensschwester, zerrissen zwischen Leidenschaft und Glauben«, frotzelte José.
    »Sie versucht tatsächlich, etwas zu verbergen, aber ich hab so ein Gefühl, dass da mehr als nur unerfüllte Liebe dahintersteckt«, bemerkte ich mit einem nachdenklichen Blick auf die endlose Wagenkolonne, die in Zeitlupe vor uns über die Autobahn schlich.
    »Ich würde liebend gern nachschauen, was in diesen Zeitungen steht, die laut Schwester Maria verleumderische Unwahrheiten verbreiten. Leider ist der Empfang hier draußen in der Agglomeration miserabel.« José streckte die Hand mit dem Smartphone hoch und wedelte in der Luft herum.
    »Das nützt einen Scheiß!«
    »Ich weiß, aber so habe ich wenigstens das Gefühl, ich würde aktiv etwas zur Lösung des Problems beitragen.« José überprüfte die Anzeige seines Telefons erneut und zog ein genervtes Gesicht: »Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu dieser Klinik zu fahren und uns nach Doktor Sánchez zu erkundigen.«
    »Und wie kommen wir dahin?«
    Die einzig durch eine schmale Hecke von der Autobahn getrennten Zufahrtswege zum Spital wurden von motorisierten Fahrzeugen blockiert, auf der Ausfallstraße reihten sich die Autos zentimeternah aneinander und kamen nur schrittweise voran. Nervtötendes Hupen erfüllte die Luft. Von Hintersitzen lugten gelangweilte Kinder, Ellbogen lagen lässig auf Fensterkanten, zwischen Fingern klebten Zigarettenstummel. Lethargische Gesichter hinter den Windschutzscheiben, etliche Automobilisten hingen am Telefon und unterhielten sich gestikreich mit ihren unsichtbaren Gesprächspartnern. Man war in Spanien offenbar gewohnt, dass die Rushhour bereits am frühen Nachmittag einsetzte. Es würde eine Ewigkeit dauern, bis wir ein Taxi gefunden hatten, und eine weitere, bis wir dem Verkehrschaos entkommen waren.
    Wir waren bereits ein Stück die Straße entlanggegangen, als ich es endlich wagte, einen verstohlenen Blick über die Schulter zurückzuwerfen.
    Leider hatte Maria, die Empfangsdame, gerade nicht in ihrem Kabäuschen gesessen, als wir das Spital verlassen hatten, damit ich mich gebührend von ihr hätte verabschieden können. Aber ein Teil von mir hatte gehofft, dass sie rein zufällig vor dem Gebäude stand, um frische Luft zu schnappen oder einen privaten Anruf zu erledigen, wenn ich mich umdrehte. Dieser Teil war zugegebenermaßen enttäuscht, als ich sie nicht entdeckte.
    »Willst du nochmals zurück?« José, der meine Bewegung registriert hatte, grinste

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